Ruf nach härteren Beschränkungen in Corona-Krise bei Uneinsichtigkeit

Reichen die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in
Deutschland aus? Politiker und Wissenschaftler haben in den
vergangenen Tagen - teils erfolglos - «soziale Distanz» angemahnt.
Nun werden weitere Schritte diskutiert.

Berlin (dpa) - Als Reaktion auf eine Sorglosigkeit vieler Menschen in
der Corona-Krise nimmt die Diskussion über Ausgangssperren oder
Betretungsverbote von Parks und Plätzen an Fahrt auf. Kanzleramtschef
Helge Braun sieht den Samstag als eine Wegmarke. «Wir werden uns das
Verhalten der Bevölkerung an diesem Wochenende anschauen», sagte der
CDU-Politiker dem «Spiegel». «Der Samstag ist ein entscheidender Tag,

den haben wir besonders im Blick.»

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster plädierte dafür, das von der
Stadt Freiburg erlassene Betretungsverbot für Gruppen an öffentlichen
Orten bundesweit einzuführen - auch, um eine generelle Ausgangssperre
zu vermeiden, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Inzwischen
wurden für andere Städte bereits ähnliche Verbote ausgesprochen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Sonntagabend mit den
Ministerpräsidenten der Länder in einer Telefonkonferenz beraten.
Dabei dürfte es auch darum gehen, ob und wann Ausgangssperren
verhängt werden sollen. Mehrere Regierungschefs hatten am Donnerstag
mit Ausgangssperren gedroht.

In Bayern stehen weitere Beschränkungen und Auflagen womöglich kurz
bevor. Die Staatskanzlei in München lud am Freitag kurzfristig zu
einer Pressekonferenz am Mittag ein, unter anderem mit
Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Söder hatte am Donnerstag mit
einer Ausgangssperre für den ganzen Freistaat gedroht, wenn sich die
Menschen nicht an bereits geltende Beschränkungen und Auflagen
halten.

Auf öffentlichen Plätzen in Baden-Württemberg sollen wegen des
grassierenden Coronavirus Menschenansammlungen verboten werden. Die
Landesregierung bereitet ein Niederlassungsverbot für Gruppen auf
öffentlichen Plätzen vor, wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag
aus Regierungskreisen erfuhr.

Freiburg hat bereits ein sogenanntes Betretungsverbot für öffentliche
Orte beschlossen, das aber nur für Gruppen gelten soll. Es tritt an
diesem Samstag in Kraft und soll bis zum 3. April gelten. Es handelt
sich nicht um eine generelle Ausgangssperre. Wer sich im Freien
aufhalten möchte, darf dies weiterhin tun, allerdings nur allein, zu
zweit oder mit Menschen, die in seinem Haushalt leben. Man darf zudem
weiterhin zur Arbeit oder zum Arzt gehen sowie Lebensmittel
einkaufen. Mit der Maßnahme will die Stadt die Ausbreitung des Virus
eindämmen.

Die Menschen in Leverkusen dürfen ab sofort bis auf wenige Ausnahmen
gar nicht mehr im Freien zusammenkommen. «Zusammenkünfte von zwei
oder mehr Personen unter freiem Himmel» seien untersagt, heißt es in
einer Allgemeinverfügung der Stadt. Ausnahme seien Gruppen, die
zusammen wohnen, zum Beispiel Familien oder Wohngemeinschaften. Auch
Zusammenkünfte beim Einkaufen - etwa in Warteschlagen - oder aus
zwingenden beruflichen Gründe sind nicht verboten.

Mit Sorge schauen die Behörden nun auf den Samstag. «Am Samstag
verabreden sich die Menschen ja traditionell miteinander, weil sie
frei haben», sagte Kanzleramtschef Braun. «Aber das geht abseits der
Kernfamilie derzeit nun einmal leider nicht. Das muss jetzt
eingestellt werden. Geschieht das nicht, kann es passieren, dass auch
in den Bundesländern weitergehende Maßnahmen beschlossen werden,
obwohl wir das eigentlich vermeiden wollen.»

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sieht die Einführung von
Ausgangssperren skeptisch. «Ich finde die Idee problematisch, weil
dann womöglich der Lagerkoller droht - vor allem, wenn Kinder mit im
Spiel sind», sagte Esken dem «Handelsblatt». Sie hoffe, dass Appelle

Menschen zur Vernunft brächten. So lange das Virus grassiere, dürfe
es keine größeren Menschenansammlungen mehr geben.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans sprach sich für eine

bundesweit einheitliche Lösung aus. «Ich glaube, dass wir bundesweit
abgestimmte Maßnahmen brauchen», sagte der CDU-Politiker im
ARD-«Morgenmagazin». «Wir wären nicht gut beraten, einen
Flickenteppich anzustreben.»

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bewertete eine
Ausgangssperre zur Eindämmung des Coronavirus in der Hauptstadt
zurückhaltend. Er sagte am Freitagmorgen im rbb-Inforadio, er könne
nicht versprechen, dass die bisherigen Schritte in der Krise
ausreichten. Die Ausgangssperre sei aber auch kein «Allheilmittel»,
sie löse nicht jedes Problem.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht
Ausgangssperren als letztes Mittel, um eine Ausbreitung des
Corona-Virus in Sachsen zu verlangsamen. Dies geht aus einem
Interview hervor, das er der «Sächsischen Zeitung» in Dresden gab
(Freitag). Eine Ausgangssperre wolle niemand, da sie das Leben massiv
einschränken würde.