Wohnzimmerkonzert statt Tournee - Wie Musiker auf Corona reagieren Von Thomas Bremser, dpa

Die Corona-Epidemie trifft auch die Musikszene hart. Konzerte werden
verschoben, ganze Tourneen abgesagt. Die einen kämpfen um ihre
Existenz. Andere nutzen die Auszeit für Kreatives.

Berlin (dpa) - «Egal was kommt, es wird gut, sowieso.» Textzeilen wie
diese von Sänger Mark Forster stehen für eine lebensfrohe, gut
gelaunte Popwelt. Doch die Corona-Epidemie ließ Musiker hierzulande
zunächst verstummen - und eben nichts Gutes ahnen. Konzerte mussten
und müssen verschoben oder komplett abgeblasen werden. Viele in der
Musikwelt fürchten um ihre Existenz.

«Es ist Wahnsinn, was hier gerade abgeht», sagt Popsänger Sasha (48
)
im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Der Musiker musste
seine fürs Frühjahr geplante «Schlüsselkind»-Tour komplett absage
n.
Neue Termine im Herbst habe er nicht gefunden, schließlich
verschieben unzählige Künstler derzeit ihre Gigs. Außerdem: Wer kan
n
schon sagen, ob dann wieder gespielt werden kann?

«Es trifft ja nicht nur mich und die Kollegen, sondern vor allem
Techniker, Musiker, kleine Künstleragenturen oder Gastronomen», sagt

Sasha, der 1972 im westfälischen Soest als Sascha Schmitz geboren
wurde. «Wir müssen irgendwie zusehen, wie wir eine Lösung finden, um

allen das Leben weiterhin zu erleichtern und überhaupt möglich zu
machen.»

Viele stünden am beruflichen Abgrund. «Keine Aufträge mehr zu
bekommen, heißt im Zweifel auch, keine Miete mehr zahlen und die
Familie nicht ernähren zu können.» Im für Musiker so wichtigen Somm
er
sind Festivals und Open-Air-Auftritte geplant - noch. 

In der heutigen Musikszene, in der die Erlöse durch Plattenverkäufe
und Streaminganbieter eher gering sind, hängt ein Großteil der
Einnahmen von Konzerttickets und dem «Merchandising» bei Auftritten
ab. Vor allem kleine Independent-Bands leben von Konzerten. «Uns
betrifft die Situation direkt auch finanziell», sagt Timothy Lush von
der Indieband Kytes. Der Schlagzeuger wäre in einer Zeit ohne Corona
mit seinen Kollegen auf «Good Luck»-Tour, die nun verschoben wurde. 


«Das heißt: Geld, mit dem wir gerechnet hatten, kommt erstmal
nicht. Aber an einer Tour hängen natürlich auch noch viele weitere
Ausgaben: Crew, Nightliner, Technik, Plakatierungen und
Online-Marketing, welches man leider nicht «umtauschen» kann.» Die

vier Musiker aus München machen es derzeit so wie immer mehr
Künstler: Sie streamen von zuhause aus in die Welt. Und hoffen auf
Spenden ihrer treuen Fans.

Die Macher der Plattform «dringeblieben.de» veranstalten derzeit
regelmäßig Events, die eigentlich in gut gefüllten Clubs und Bars
stattfinden. Neben Konzerten auch DJ-Sets, Theateraufführungen und
sogar Cocktailkurse - Not macht erfinderisch. Internationale
Musikgrößen wie Coldplay-Sänger Chris Martin, Gianna Nannini oder
John Legend verlagern ihre Konzerte ebenfalls ins heimische
Wohnzimmer oder Tonstudio.

Deutsche Popmusiker wie Johannes Oerding, Max Giesinger, Lotte und
Nico Santos ziehen nach. Am Sonntag melden sich insgesamt sieben
Künstler aus der selbst auferlegten Corona-Quarantäne zum «Wir
bleiben zuhause»-Festival. Fans können per Instagram-Livestream dabei
sein - sofern die Internetverbindung mitspielt.

Musiker, die sonst von Auftritt zu Auftritt hetzen, versuchen also
auch in der Corona-bedingten Entschleunigung kreativ zu sein. Viele
dürften derzeit auf dem heimischen Sofa sitzen und an Songtexten
feilen - über Ruhe, Einsamkeit und Enthaltung.

«Mit ein wenig Glück werden wir dann, wenn alles überstanden ist, e
in
Gros an neuer Musik erleben von Künstlern, die in der Zeit fleißig
waren», vermutet der Berliner Elektroproduzent und Sänger Fritz
Kalkbrenner. «Und das wäre doch sehr wünschenswert.» Und Mark Forst
er
hätte am Ende doch Recht mit seinem Heile-Welt-Szenario: «Egal was
kommt, es wird gut, sowieso.»