Forschen und liefern am Limit - Gesundheitsfirmen im Corona-Kampf Von Alexander Sturm und Jan Petermann, dpa

Wer könnte einen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickeln? Wer
liefert Beatmungsgeräte und Desinfektionsmittel in großem Stil? Die
Corona-Krise setzt auch Pharma- und Gesundheitsfirmen unter Druck.
Doch einige Produkte sind gefragter denn je.

Frankfurt/Hannover (dpa) - Die Corona-Pandemie bringt der Wirtschaft
immense Schäden, allen voran Luftverkehr, Tourismus, Gastronomie und
Autobauern. Einige Firmen aus der Pharma-, Chemie- und Medizinbranche
bieten aber wichtige Produkte im Kampf gegen das Virus an. Die
Nachfrage ist groß - und die Forschung läuft auf Hochtouren.

Drägerwerk: Der Hersteller von Medizin- und Sicherheitstechnik sorgte
jüngst mit einem Großauftrag der Bundesregierung über 10 000 neue
Beatmungsgeräte für Aufsehen. Dazu will das Unternehmen seine
Produktion in Lübeck erheblich ausweiten. Zudem liefert Drägerwerk
persönliche Schutzausrüstung für das Personal in Krankenhäusern.

Beides soll helfen, die Versorgung im Gesundheitswesen während der
Virusausbreitung zu sichern. Die bisherigen Beatmungskapazitäten auf
Intensivstationen deutscher Kliniken könnten insgesamt zu gering
sein, falls es zu einer rasanten Erhöhung schwerer Verläufe der
Lungenkrankheit Covid-19 kommt. An der Börse schoss die
Drägerwerk-Aktie binnen eines Monats um mehr als ein Drittel hoch.

Treox/Kenkel: Der Mangel an Desinfektions- und Hygieneartikeln machte
eine kleine Firma aus dem niedersächsischen Landesbergen bekannt:
Treox bekam für das gleichnamige Mittel auch Aufträge aus China. «Wir

haben jetzt eine langfristige Partnerschaft mit einem chinesischen
Unternehmen», sagt Co-Geschäftsführer Marc Heineking. In Deutschland

sei die Nachfrage «förmlich explodiert»: Ursprünglich war das Mitte
l
für Industriezwecke gedacht - nun suche man weitere Vertriebspartner.

Es geht um eine einfache, auf Salzlösung basierende Substanz. «Das
Salz wird elektrochemisch aktiviert und dringt in schädliche Zellen
oder Viren ein, die es dann abtötet», erklärt Heineking. Ende Februar

hatte die Europäische Chemikalienagentur laut dem Unternehmen ihre
Zulassung gegeben. Krankenhäuser und Rettungsdienste nutzten Treox,
eine explizit medizinische Zulassung stehe aber noch aus. «Wir haben
jetzt auch erst mal einen großen Bedarf an Flächendesinfektion.»

Bedarf gibt es auch für mobile Ganzkörper-Desinfektionscontainer. In
den Behältern der Firma Kenkel aus Holdorf etwa können sich Helfer
oder Patienten vor dem Arztbesuch durch einen «3D-Mantel» aus
vernebelten, für den Menschen unschädlichen Stoffen schützen lassen.


Sartorius: Der Göttinger Konzern stellt vor allem Ausstattungen für
Forschungslabore und die Pharmaproduktion her. Derzeit gebe es eine
«sehr intensive» Zusammenarbeit mit deutschen und internationalen
Unternehmen, die einen Impfstoff gegen das neue Coronavirus in der
Entwicklung oder auch bereits in den klinischen Testphasen haben.
«Wir liefern unter anderem Zellkulturmedien, Bioreaktoren,
Spezialfilter und analytische Instrumente», hieß es dazu.

Die Technik werde von Impfstoffentwicklern in aller Welt genutzt.
«Wir fokussieren uns deshalb in der aktuellen Lage darauf, unsere
Produktion und Lieferketten in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.»
Mitte Februar hatte Sartorius-Chef Joachim Kreuzburg die Ziele für
die kommenden Jahre genannt. Die größten Wachstumschancen seien in
China, Sartorius hat auch schon einen Produktionsstandort in Peking.

CureVac: Das Tübinger Pharmaunternehmen kann möglicherweise schon im
Herbst einen Impfstoff bereitstellen. «Bei positivem Verlauf könnten
wir ungefähr im Frühsommer mit klinischen Tests beginnen», so
Miteigner und SAP-Gründer Dietmar Hopp. Weil der Druck enorm hoch
sei, sollte es mit der Behördengenehmigung rascher gehen als üblich.
«Wir wären also in der Lage, den Impfstoff im Herbst zu liefern.»

Jüngst hatte es Berichte gegeben, wonach die USA exklusiv die Rechte
an einem Impfstoff gegen das neue Coronavirus von CureVac kaufen
wollten - was die Firma jedoch ablehnte. Bereits seit Januar forscht
das Unternehmen an einem Impfstoff gegen den Erreger. Die EU will bei
der Entwicklung mit bis zu 80 Millionen Euro helfen.

Versandapotheken: Die Shop-Apotheke sprach zuletzt von temporärem
«Auftragsschub» wegen der Viruskrise. Aus Sorge kaufen Verbraucher
verstärkt Erkältungsmedikamente wie Husten-, Schmerz- und
Fiebermittel. Wer keine Apotheke um die Ecke hat oder das Haus nicht
verlassen will, ordert gern im Internet. Auch die Versandapotheke
Apotal berichtet von Andrang: Das Bestellvolumen sei bis zu drei Mal
höher als üblich. Man bitte die Kunden um Geduld bei Bestellungen.

Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) erklärte, das
Bestellaufkommen bei Online-Apotheken habe seit dem Ausbruch der
Viruskrise um 60 Prozent zugenommen: «Alle arbeiten am Limit.»

BioNTech: Die Mainzer Biotech-Firma will mit einem chinesischen
Partner einen Impfstoff gegen den Covid-19-Erreger entwickeln.
BioNTech und Fosun Pharma in Schanghai vereinbarten dazu gemeinsame
klinische Studien. Der Kandidat für einen geplanten Impfstoff soll
Körperzellen anregen, Wirkstoffe zur Abwehr des Virus zu erzeugen.

Bei einer Zulassung soll Fosun Pharma den Impfstoff in China
vermarkten, außerhalb der Volksrepublik hätte BioNTech dagegen die
Vermarktungsrechte. An der Börse legten BioNTech-Aktien daraufhin
stark zu. Die Firma gilt wegen ihrer breiten Entwicklungsplattform
als gut aufgestellt im Rennen um einen Coronavirus-Impfstoff.

Siemens Healthineers: Der Chef des Medizintechnik-Konzerns, Bernd
Montag, berichtet: «Teilweise sehen wir ein deutlich gesteigertes
Interesse an unseren bildgebenden Geräten.» Computertomografen kämen

zum Einsatz, um Patienten mit akutem oder drohendem Lungenversagen zu
überwachen und nötige Therapien sicherzustellen. Zudem arbeite
Siemens Healthineers an der Entwicklung eines Coronavirus-Tests, der
nicht an eine bestimmte Analyseplattform gebunden sei.

Das Unternehmen will auch mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI)
Systeme entwickeln, um Veränderungen des Lungengewebes im
Computertomographen schneller erkennen zu können. Außerdem soll
medizinisches Personal künftig Diagnosen mit digitalen Diensten
ortsunabhängig - und damit ohne Ansteckungsrisiko - stellen können.