Gastronomie zwischen Freizeit, Bangen und blanker Not Von Alexia Angelopoulou, dpa

Die Gäste sitzen allein zu Hause, die Gastronomen plagen noch ganz
andere Sorgen - was passiert mit dem Betrieb, der Belegschaft? Der
Gaststättenverband dringt auf schnelle Hilfe, denn sonst sieht es mit
der Gastronomie im Land bald mau aus.

Stuttgart (dpa/lsw) - Können wir noch wie gewohnt ausgehen, wenn die
Coronakrise irgendwann einmal vorbei ist? Schaut man sich die akuten
Sorgen der Gaststätten, Bars und Clubs im Land an, scheint das
unwahrscheinlich. Am Donnerstag bat der Branchen-Verband Dehoga die
Landesregierung «mit höchster Dringlichkeit» um die Einrichtung eines

Hilfsfonds, der den Betrieben helfen könnte, zu überleben. Manche
Lokale wissen nicht einmal mehr, wie sie die nächste Miete bezahlen
sollen. Und viele sorgen sich um die Schwächsten der Branche - die
unzähligen Teilzeit- und Minijobber.

«Unsere Kollegen arbeiten nicht aus Jux und Tollerei», sagt Kersten
Knödel, einer der Inhaber der Stuttgarter Kneipe «Immer Beer Herzen»,

die nun wegen des Coronavirus geschlossen ist. «Viele der Mitarbeiter
und Aushilfen machen den Gastro-Job als Zweitjob, um überhaupt über
die Runden zu kommen - was nun nicht mehr geht.» Und das sei noch
nicht alles: «Es hängt ja im ganzen Freizeitbereich noch unendlich
viel mehr dran. Nicht zuletzt die Putzfrau hat nichts mehr zu tun -
vier Wochen hält sie diese Situation nicht aus», sagt Mitinhaber
Nanno Smeets.

Ähnliche Sorgen plagen Waltraud Hubschneider, die in Rudersberg
(Rems-Murr-Kreis) seit 40 Jahren einen Getränkemarkt und seit sechs
Jahren auch die Gastronomie «Zur BrennAlp» betreibt. «Der
Getränkemarkt mit seinen Fest- und Teilzeitangestellten läuft», sagt

Hubschneider. «Aber die Gastronomie ist geschlossen.» Das trifft in
der «BrennAlp» zwei Vollzeit- und eine Teilzeitkraft sowie drei
Minijobber.

«Wir werden alles tun, damit uns unsere Mitarbeiter erhalten
bleiben», sagt Waltraud Hubschneider. Und weist auf einen für die
Gastro-Mitarbeiter besonders kritischen Punkt hin: «Die Gastronomie
braucht Mini-Jobber - und wir bezahlen ja auch dafür, 30 Prozent auf
die 450 Euro Lohn an die Bundesknappschaft in Berlin. Aber laut
gesetzlicher Regelungen fallen diese Mitarbeiter bei der
Kurzarbeitsregelung raus, verdienen also nun gar nichts.» Das könne
nicht angehen, sagt Hubschneider, man müsse nachbessern. «Wenigstens
die 60 Prozent vom Nettolohn wie die anderen - da wäre schon viel
geholfen, die Leute sind auf die paar 100 Euro absolut angewiesen».

Allein ein Kredit reicht da nicht, sagt auch Nanno Smeets. «Wir haben
zehn Aushilfen auf Mini-Job-Basis, denen fehlt das Geld - die
arbeiten ja in der Gastro nicht zum Spaß, auch wenn es ihnen bei uns
gefällt», sagt er. Mit einem Kredit als Landes- oder Staatshilfe sei
ihnen nicht geholfen, sagen die Inhaber vom «Immer Beer Herzen». «Den

Ausfall kann ich nicht mehr wettmachen, wenn wir dann irgendwann
wieder aufmachen - wir sind ja kein Autokonzern, der seine Produktion
hochfährt. Die Biere, die der Gast heute nicht trinkt, holen wir
nicht mehr auf», sagt Kersten Knödel.

Derweil bleiben die Grundkosten bestehen, Pacht, Miete, Strom,
Telefon, alles läuft weiter. In sozialen Netzwerken bekundet die
Kundschaft ihre Solidarität, doch die Kassen bleiben leer. «Und dann
ist noch die Frage, wie es weiter geht, wenn die Coronakrise vorbei
ist», gibt Kersten Knödel zu bedenken. Denn: «Dann werden die Gäste

auch nicht mehr so viel Geld in der Tasche haben.»