Konsumschecks für alle? Wie die Konjunktur angekurbelt werden könnte Von Theresa Münch und Andreas Hoenig, dpa

Es ist eine beispiellose Krise. Die Folgen des Coronavirus legen
weite Teile des Wirtschaftslebens lahm. Notfall-Pakete sollen Firmen
und Jobs schützen. Was aber kommt danach?

Berlin (dpa) - Die Corona-Krise wird Deutschland in eine tiefe
Rezession stürzen - davon sind die meisten Ökonomen inzwischen
überzeugt. Die Bundesregierung will mit milliardenschweren
Notprogrammen eine Pleitewelle von Firmen verhindern und Jobs retten.
Die Kaufkraft anzukurbeln, bringt auf den ersten Blick wenig, wenn
viele Geschäfte dicht haben. Doch das könnte wichtig werden, wenn die
Pandemie abebbt, die Wirtschaftskrise sich aber verfestigt.

«Sollte der Ausfall der Nachfrage länger dauern, müssen Unternehmen
anschließend Hilfestellungen für den Neustart erhalten», sagt der
frühere Chef der «Wirtschaftsweisen», Christoph M. Schmidt, Präside
nt
des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Aus Sicht des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung muss der Staat den
Konsum der privaten Haushalte und Investitionen ankurbeln.

REFORM DER UNTERNEHMENSSTEUERN:

Wirtschaftsverbände haben bereits vor der Corona-Krise gefordert, die
Steuerbelastung der Firmen zu senken - auch weil andere Staaten wie
die USA dies getan haben. Mit einer großen und milliardenteuren
Reform könnte die Investitionskraft von Unternehmen gestärkt werden.
Daneben geht es um weniger Bürokratie, bessere
Abschreibungsbedingungen oder eine einfacheres Steuerrecht. Neben
finanzieller Unterstützung werde vor allem ein funktionierender Staat
mit schlanken Regeln gefragt sein, sagt Schmidt - ein temporäres
Aussetzen übermäßig bürokratischer Hürden und Verfahren könne e
in
wichtiges Element werden.

PLANUNGSVERFAHREN BESCHLEUNIGEN:

Derzeit dauert es oft Jahre, bis Brücken saniert, neue Windräder oder
Strom- oder Sendemasten gebaut werden können - Grund sind lange
Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die schwarz-rote Koalition hat
bereits angekündigt, sie wolle entschiedener gegensteuern. Ein
schnellerer Ausbau der Infrastruktur etwa bei erneuerbaren Energien
oder beim Breitband könnte viele Firmen helfen.

STEUERSENKUNGEN:

Das DIW schlägt vor, die Mehrwertsteuer zu senken. Dies würde
Milliarden kosten, käme aber vor allem kleinen und mittleren
Unternehmen beim täglichen Einkauf zugute. Eine Mehrwertsteuersenkung
würde den Staat laut Ökonomen pro Prozentpunkt mehr als 10 Milliarden
Euro kosten.

Im Geldbeutel der Bürger könnte sich auch der Abbau des
Solidaritätszuschlags auswirken. Eigentlich soll der Soli ab Januar
für 90 Prozent der Zahler wegfallen. Aus der SPD kam der Vorschlag,
dies auch angesichts der Corona-Auswirkungen auf diesen Sommer
vorzuziehen. Aber ob sich der Bund das angesichts der Belastung für
den Bundeshaushalt leisten sollte, ist umstritten. Eine frühere
Entlastung würde rund fünf Milliarden Euro kosten.

KONSUMSCHECKS:

Die US-Regierung will ihren Bürgern Geld auszahlen, um die
wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise abzufedern. Angedacht
ist nach Aussagen des US-Finanzministers eine Geldleistung von 1000
US-Dollar für Erwachsene und 500 US-Dollar für Kinder. Auch Hongkongs
Regierung hatte bereits solche direkten Zahlungen angekündigt.

Und in Deutschland? Unkonventionelle Maßnahmen wie etwa Konsumschecks
könnten helfen, dass sich die Konjunktur nach der Corona-Krise
schnell erhole, sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie
und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen
Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, der Funke Mediengruppe.

ÖFFENTLICHE INVESTITIONEN:

Die Koalition investiert in diesem Jahr bereits fast 43 Milliarden
Euro vor allem in die Infrastruktur, also Straßen, Bahn oder
Krankenhäuser - ein Rekord. Auf diesem Niveau sollen die
Investitionen in den kommenden Jahren fortgeschrieben werden,
jedenfalls wenn es nach dem mittelfristigen Plan von Finanzminister
Olaf Scholz (SPD) geht. Das Problem: Viel von dem Geld wird in den
Kommunen nicht abgerufen, weil diese mit Planungsproblemen und hohen
Schulden kämpfen.

FOLGEN FÜR DEN BUNDESHAUSHALT:

Die sind noch überhaupt nicht abzusehen, sagt das Finanzministerium.
Im ersten, vorsichtigen Haushaltsentwurf für 2021 ist das Thema
Corona daher ausgespart. Doch das kann Scholz nicht lange
durchziehen, spätestens nach der Steuerschätzung im Mai wird klar
sein, ob ein Nachtragshaushalt nötig ist. Damit muss dann womöglich
auch die «schwarze Null» fallen - ein Etat ohne neue Schulden.

SCHULDENBREMSE:

Die Schuldenbremse im Grundgesetz erlaubt dem Bund eine minimale
Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ausnahmen
davon, also eine höhere Neuverschuldung, sind bei extremen
Notsituationen aber möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass das
Bundeskabinett diese Karte in den nächsten Tagen zieht. Scholz
jedenfalls schließt nicht aus, dass er die «schwarze Null» erst
einmal aufgibt. Es sei nicht unplausibel, dass es nun zusätzlichen
Geldbedarf gebe, sagte er schon in der vergangenen Woche: «Man darf
einer Krise nicht hinterhersparen.»