Minister Garg: Ausgangssperre in Schleswig-Holstein «denkbar»

Droht nach dem Touristenstopp in Schleswig-Holstein jetzt auch noch
eine Ausgangssperre für die Einwohner? Gesundheitsminister Garg hält
das für «denkbar», falls die bisherigen Maßnahmen von den Menschen

nicht befolgt würden. Schulen und Kitas verlängern ihre Notbetreuung.

Kiel (dpa/lno) - Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat
Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) eine Ausgangssperre für
Schleswig-Holstein nicht mehr ausgeschlossen. «Wenn sich die Menschen
nicht an die bisher beschlossenen Maßnahmen halten, dann ist als
allerletztes Mittel oder ein Mittel der Wahl auch eine Ausgangssperre
denkbar», sagte Garg dem «Schleswig-Holstein Magazin» des NDR. «Wer

immer noch meint, wir befinden uns hier auf einem Abenteuerspielplatz
und proben gerade mal, der ist schief gewickelt.»

Garg appellierte an die Schleswig-Holsteiner, sich solidarisch zu
zeigen - insbesondere mit der Generation der Eltern und Großeltern
sowie mit den Menschen, die ein geschwächtes Immunsystem haben. «Wir
tun das, um die Menschen zu schützen und irgendwann, wenn die Krise
vorbei ist, auch unser Leben zurückzubekommen.»

Unterdessen stieg die Zahl der bestätigten Infektionen mit dem
neuartigen Coronavirus in Schleswig-Holstein von 196 auf 253 Fälle -
das ist ein Anstieg von 29 Prozent innerhalb eines Tages. Erfasst
wurden die bis einschließlich Mittwoch gemeldeten Nachweise. 13
Patienten befinden sich mittlerweile in klinischer Behandlung, wie
das Gesundheitsministerium mitteilte. Bislang wurde weiterhin ein
Todesfall im Zusammenhang mit der Viruserkrankung gemeldet.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KVSH) hat in Schleswig-Holstein an
zehn Standorten Diagnosezentren für konkrete Corona-Verdachtsfälle
errichtet. Weitere sind im Aufbau, wie die KVSH mitteilte. Dort
sollen Abstriche von Risikopersonen genommen werden, die sich über
die Behördennummer 116117 gemeldet haben. Ziel ist es, Arztpraxen
sowie Kliniken zu entlasten und das Infektionsrisiko zu senken.

Die KVSH appellierte, die Diagnosezentren nicht auf eigene Initiative
aufzusuchen. «Die Menge der Testkits und die Kapazitäten der Labore
sind endlich, so dass nur medizinisch notwendige Testabstriche
genommen werden können.» Die Patienten werden nach einem Test
telefonisch über das Ergebnis informiert. Dies kann bis zu zwei Tage
dauern. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse sollten Patienten zuhause
bleiben. Nach Angaben der KVSH wurde die Leitstelle personell
mittlerweile verstärkt. Dennoch könne es aufgrund der anhaltend hohen
Zahl von Anrufen weiter Wartezeiten geben.

Die Notbetreuung in Kitas und in einzelnen Schulen für Kinder von
Mitarbeitern aus den Bereichen Gesundheit, Polizei, Feuerwehr oder
Lebensmittelgeschäften wurde von der Landesregierung bis zum 19.
April - dem Ende der Osterferien - verlängert.

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wird die Kieler Woche
verschoben. Das Sommerfest mit Millionenpublikum findet wegen der
Corona-Krise erst Anfang September statt. Die Entscheidung sei nicht
leicht gefallen, sagt Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD).
Traditionell findet das nach Angaben der Veranstalter größte
Sommerfest Nordeuropas Ende Juni statt. Die 126. Auflage des
Segel-Spektakels ist nun vom 5. bis 13. September geplant. Im
vergangenen Sommer hatten nach Schätzungen der Stadt mehr als 3,5
Millionen Besucher aus gut 70 Ländern die 125. Kieler Woche
besucht. Zum weltgrößten Segelereignis kamen 2019 fast 4000 Sportler

aus über 50 Nationen.

Nach dem Runterfahren des öffentlichen Lebens inklusive
Tourismus-Stopp kämpft die Hotel- und Gastronomiebranche
Schleswig-Holsteins ums Überleben. «Wir befürchten, dass bis zu 75
Prozent unserer 5200 Betriebe mit mehr als 80 000 Beschäftigten
betroffen sind», sagte der Geschäftsführer des Branchenverbandes
Dehoga, Stefan Scholtis, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.
Diese Betriebe lebten vorwiegend vom Tourismus.

Hintergrund ist ein Erlass der Landesregierung, dass alle
Beherbergungsstätten für touristische Zwecke sowie alle Restaurants
schließen müssen. Bis Donnerstag mussten alle Touristen das
nördlichste Bundesland verlassen haben. Selbst Tagestouristen dürfen
das Land derzeit nicht besuchen.

Bei einer Telefonkonferenz mit Ministerpräsident Daniel Günther (CDU)
und Tourismus-Minister Bernd Buchholz (FDP) habe die Dehoga-Spitze am
Donnerstag deutlich gemacht, dass staatliche Hilfen kurzfristig zur
Verfügung gestellt werden müssten, die aber langfristig angelegt
seien. «Eine denkbare Möglichkeit wären zins- und tilgungslose
Darlehen über mehrere Jahre», sagte Scholtis. Kurzfristige Kredite
würden nicht helfen.

Mit Hinweisschildern an Autobahnen und Bundesstraßen weist
Schleswig-Holstein jetzt Touristen auf das Einreiseverbot hin. Die
ersten Leucht-Warnschilder sind laut Wirtschaftsministerium an der A7
am Horster und Buchholzer Dreieck mit dem Hinweis «Schleswig-Holstein
für Touristen gesperrt» bereits in Betrieb.

Die Polizei plant bislang aber keine gezielten Kontrollen des
Verbots. «Wir setzen nach wie vor auf die Besonnenheit der Menschen»,
sagte der Sprecher des Landespolizeiamts, Uwe Keller, der dpa. Diese
sei bislang weitgehend vorhanden. «Wir hoffen deshalb, dass wir keine
weiteren Maßnahmen ergreifen müssen.» Ausnahme sind allerdings die
Fehmarnsundbrücke und die Fähranleger zu den Inseln. Dort gebe es
Sichtkontrollen der Polizei.

Am Donnerstag sollten auch an der Elbquerung Glückstadt-Wischhafen im
Zuge der Bundesstraße 495, an der Elbquerung bei Geesthacht (B404),
an der Elbquerung bei Lauenburg (B209) sowie an der A20 bei Wakenitz
und der A24 bei Gudow entsprechende Schilder aufgestellt werden.
«Damit wollen wir Reisende aus dem Süden sowie aus
Mecklenburg-Vorpommern und aus Berlin sensibilisieren und auf das
Aufenthaltsverbot hinweisen», sagte Wirtschaftsminister Buchholz.

Außerdem hat die Landesregierung in Kiel das Sonn- und
Feiertags-Fahrverbot für Laster mittlerweile bis zum 26. April ganz
aufgehoben. Dies soll angesichts der Öffnung von Supermärkten auch an
Sonntagen den Waren-Nachschub gewährleisten. «Noch sind keinerlei
Versorgungsengpässe bekannt, allerdings könnten die eingeführten
Kontrollen an der Grenze zu Dänemark zu längeren Wartezeiten führen
»,
sagte Buchholz.

Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) lobte das vom Bund geplante
Hilfspaket für Solo-Selbständige und andere Kleinstfirmen. «Es ist
goldrichtig, dass nun auch der Bund die aktuelle Lage als
Notfallsituation einstufen will», sagte Heinold am Donnerstag der
Deutschen Presse-Agentur. «Die vom Bund angekündigte Hilfe ist
zwingend notwendig, es braucht einen hohen Milliarden-Betrag, um ein
starkes und wirksames Hilfspaket auf den Weg zu bringen.»

Die Bundesregierung plant angesichts von Existenznöten ein Hilfspaket
von über 40 Milliarden Euro für Millionen von Solo-Selbstständigen
und andere Kleinstfirmen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus
Regierungskreisen. Im Gespräch sind demnach direkte Zuschüsse, um
Pleiten zu verhindern.

Schleswig-Holsteins Landtag hatte bereits am Mittwoch einstimmig
ein Nothilfeprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro beschlossen.
Damit will die Koalition aus CDU, Grünen und FDP dann helfen, wenn
Bundeshilfen und Versicherungsleistungen nicht greifen.