Mega-Rettungsschirm für NRW-Unternehmen gegen Coronakrise

NRW im Krisen-Modus: Nach der Gesundheit geht es jetzt um die
Existenz der Wirtschaft. Die Wucht des Virus ist heftig. Die
Schutzmaßnahmen sind außerordentlich.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Die NRW-Landesregierung spannt einen riesigen
Rettungsschirm von 25 Milliarden Euro auf, um die Wirtschaft gegen
die Folgen der Corona-Krise zu schützen. Damit sollten bleibende
Schäden durch das Virus verhindert werden, sagte NRW-Regierungschef
Armin Laschet (CDU) am Donnerstag. Denn noch zeigen die rigorosen
Maßnahmen im Kampf gegen das Virus keine Wirkung. Es breitet sich
unvermindert aus.

Noch immer stünden mögliche Ausgangssperren im Raum, mahnte Laschet
zum Distanzhalten. Was aber nutzen alle Maßnahmen, wenn die Menschen
weiterhin über die Grenze in die Niederlande fahren, fragten Landräte
von acht Kreisen und der Oberbürgermeister der Stadt Münster in einem
Brief unter anderem an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Armin
Laschet.

«Abgesagte Veranstaltungen, wegfallende Umsätze unterbrochene
Lieferketten, verzögerte Zahlungen und eingestellte Produktionen
drohen zu existenzbedrohenden Ereignissen zu werden», sagte Laschet
nach einer Videokonferenz mit Vertretern von
Wirtschaft, Gewerkschaften und Kommunen. Das größte Hilfsprogramm
seit Bestehen des Landes Nordrhein-Westfalens entspreche rund einem
Drittel des bisherigen Landeshaushalts.

Egal ob beim Einkaufsladen um die Ecke, der Kneipe oder international
tätigen Unternehmen - mit der Rekordhilfe sollen die Folgen der
Coronakrise abgefedert und Arbeitsplätze gesichert werden

Wie schnell sich das Virus weiter ausbreitet, wurde an den neuen
Infektionszahlen des NRW-Gesundheitsministeriums deutlich. Im
Vergleich zum Vortag stieg die Zahl der gemeldeten Infektionen am
Donnerstag (Stand 10 Uhr) von knapp 4300 auf fast 5000. Die Zahl der
Todesopfer stieg von 13 auf 17.

Die Landesregierung analysiere, ob sich die Infektionskurve
angesichts der zahlreichen Maßnahmen abflachen werde, sagte Laschet.
Das werde «nicht heute, nicht morgen und nicht am Wochenende»
erreicht sein. Schon jetzt ruhe das öffentliche Leben, und die
Grundrechte der Bürger seien stark eingeschränkt worden. «Aber wenn
man eine Maßnahme angepackt hat, muss man sie auch mal wirken lassen,
ehe man über die dritte und vierte Stufe nachdenkt.» Bis zu 14 Tagen
könne es dauern, ehe die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus
wirkten.

Die acht NRW-Landräte und der Oberbürgermeister von Münster forderten

in dem Brief an Armin Laschet eine gemeinsame deutsch-niederländische
Strategie gegen das Coronavirus. Im Grenzgebiet zu den Niederlanden
nähmen sie mit großer Sorge wahr, dass man dort weiterhin einkaufen
könne, zum Teil auch sonntags. Die in Deutschland verfolgte Strategie
werde so nicht aufgehen.

Die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker las ihren
Mitbürgern in einer am Donnerstag verbreiteten WhatsApp-Nachricht die
Leviten: «Ich möchte Ihnen sagen, dass ich entsetzt darüber bin, dass

auch in Köln einige anscheinend noch nicht verstanden haben, wie
ernst die Lage ist.» Ein Kaffee oder ein Kölsch mit Freunden in der
Sonne möge verlockend sein, aber es sei jetzt nicht mehr möglich.
«Denn die Lage ist wirklich ernst, und wir müssen verzichten, um
anderen zu helfen.»

Mit 25 Milliarden stellt das bevölkerungsreichste Bundesland mehr
Hilfsgelder bereit als etwa Bayern, das bis zu zehn Milliarden plant.
Dafür opfert NRW auch die «schwarze Null» bei der Schuldenaufnahme.
Über einen Nachtragshaushalt will das Land neue Schulden machen, um
Bürgschaften, Steuerstundungen sowie Soforthilfen für
Kleinunternehmen finanzieren zu können. Die Schuldenbremse erlaube
die Kreditaufnahme in einer solchen Notsituationen, sagte
NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU).

Helfen will das Land über Steuerstundungen und geht dabei auch über
die Maßnahmen des Bundes hinaus. Betroffene Unternehmen, die
Fristverlängerungen für die Umsatzsteuer beantragen wollen, müssen
dafür in NRW zunächst keine Sonderzahlungen mehr leisten, wie
Lienenkämper ankündigte.

«Damit werden den Unternehmen Mittel im Umfang von mehr als vier
Milliarden Euro sofort zur Verfügung gestellt», erklärte der
Finanzminister. Hierdurch würden für weite Teile der
nordrhein-westfälischen Wirtschaft unmittelbare
Liquiditätsverstärkungen in Milliardenhöhe erzielt.

Für große und kleine Unternehmen sollen massiv Bürgschaften erhöht

werden. Der Rahmen für Großbürgschaften des Landes werde von 900
Millionen Euro auf 5 Milliarden Euro erhöht, sagte
NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).

Keine Einkünfte, laufende Ausgaben - viele kleine Unternehmen oder
Selbstständige brauchen dringend Geld. Vor allem für sie werde es
«Expressbürgschaften» in Höhe bis 250 000 Euro innerhalb von drei
Tagen geben. Das Land werde mit 90 Prozent statt bisher 80 Prozent
für die Kredite bürgen. Kein bisher erfolgreiches Unternehmen solle
durch die Corona-Krise zu Schaden kommen.

Der Einzelhandel leidet unter der Schließung zahlreicher Geschäfte
und hat staatliche Hilfen gefordert. Große Autozulieferer wie
Kirchhoff und Hella bereiten wegen der Werksschließungen großer
Hersteller Kurzarbeit vor. Auch wenn sie in der Öffentlichkeit nicht
gehört werden, sind auch unzählige Selbstständige von der Krise
betroffen.

Ein Hilferuf an die Politik kam am Donnerstag von Mitarbeitern der
Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Nach harten
Sanierungsschritten hatte der Handelsriese gehofft, die größten
Hürden auf dem Weg in eine bessere Zukunft genommen zu haben. Aber
dann kam mit den Ladenschließungen zur Eindämmung des
Virus-Geschehens ein massiver Rückschlag.

Corona, für die meisten unweigerlich mit dem Virus verbunden, steht
in Aachen auch für eine Heilige. Die Domschatzkammer Aachen hat einen
ihrer Schätze aus gegebenen Anlass jetzt früher hervorgeholt als
geplant und damit viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommen: Den
Schrein mit den angeblichen Überresten der Heiligen Corona. «Die
Heilige Corona gilt unter anderem als Schutzpatronin gegen Seuchen.
Das macht sie derzeit so interessant», sagte eine Sprecherin.

Weniger Aufsehen erregend, aber öffentlich beachtet, las Münsters
Bischof Felix Genn am Donnerstagmorgen in der Einsamkeit des leeren
Doms eine Messe, nur begleitet von Domorganist Thomas Schmitz.
Wahrscheinlich war es noch etwas befremdlich für den Bischof, der
beim Einzug durch den Chorraum auf leere Sitzreihen schaute.
Zuschauer hatte Genn aber dennoch. Der Gottesdienst zu Ehren des
Heiligen Josef wird per Video ins Internet übertragen.

Auch Fußballfans gehen neue Wege: In den schweren Zeiten ohne Fußball
hat die Dortmunder Tageszeitung «Ruhr Nachrichten» alle BVB-Fans zu
einer besonderen Aktion aufgerufen. Am kommenden Spieltag, der
aufgrund der Corona-Pandemie ausfällt, sollen alle Anhänger des
Bundesligisten um 19.09 Uhr am offenen Fenster oder vom Balkon
«You'll Never Walk Alone» singen.