Neue Ausgangssperren drohen - Milliardenhilfen für die Wirtschaft Von Theresa Münch, dpa

Wie lange kann das noch gutgehen? Trotz Coronakrise treffen sich in
Deutschland noch immer Gruppen in Parks und Cafés. Die Länder
schließen Ausgangsverbote nicht aus. Auch die Wirtschaft bereitet
sich auf harte Zeiten vor: Erste große Konzerne sind in Turbulenzen.

Berlin (dpa) - Trotz des eindringlichen Appells von Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) zu mehr Disziplin drohen in der Coronakrise größere
Ausgangssperren in mehreren Bundesländern. Am kommenden Sonntag will
Merkel dem Vernehmen nach mit den Ministerpräsidenten in einer
Telefonschalte darüber beraten. Seit Donnerstag dürfen die Menschen
im bayerischen Mitterteich und zwei weiteren Orten bereits nur noch
in Ausnahmefällen auf die Straßen. Auch die Wirtschaft wird für harte

Zeiten gerüstet - mit Milliardenprogrammen für Unternehmen. Selbst
große Konzerne kämpfen bereits um ihre Existenz.

In Deutschland sind bislang mehr als 13 900 Infektionen mit dem neuen
Coronavirus bekannt, am Mittwoch waren es noch etwas mehr als 10 000.
44 mit Sars-CoV-2 Infizierte sind bislang bundesweit gestorben.
Bessere Nachrichten gibt es aus China, dem Ursprungsland der
Pandemie: Die Infektionszahlen gehen zurück.

AUSGANGSSPERREN

Im chinesischen Wuhan, in Italien, Frankreich und Spanien sind solche
Verbote schon längst in Kraft - während in Deutschland noch immer
Menschen in Grüppchen in Parks sitzen. Mehrere Ministerpräsidenten
betonten, so könne es nicht weitergehen. Bayerns Landeschef Markus
Söder (CSU) drohte mit einer Ausgangssperre für das ganze Bundesland:
«Wenn sich viele Menschen nicht freiwillig beschränken, dann bleibt
am Ende nur die bayernweite Ausgangssperre als einziges
Instrumentarium, um darauf zu reagieren.» Für drei Orte in Bayern
gelten bereits entsprechende Verbote.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann stellte
ebenfalls schärfere Vorgaben in Aussicht. Wenn die Bürger ihr
Verhalten nicht grundlegend umstellten, werde ein Ausgangsverbot wohl
kommen. Auch der saarländische Regierungschef Tobias Hans (CDU) hält
eine «schnelle und harte Ausgangssperre» sogar in ganz Deutschland
für möglicherweise unvermeidlich. «Wir müssen Strenge zeigen zum
Schutz der gesamten Bevölkerung, insbesondere zum Schutz unserer
Alten und Kranken», sagte er der Funke-Mediengruppe. Berlins
Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) machte deutlich, dass
über ein solches Verbot schnell entschieden werden könnte.

OPTIMISMUS IN CHINA

Erstmals seit Ausbruch des Virus im Januar meldete China landesweit
keine lokalen Neuinfektionen mehr. Es wurden zwar 34 neue
Corona-Fälle registriert, die Infizierten kamen aber aus dem Ausland
zurück in die Volksrepublik. Für sie gelten nun strenge
Quarantäne-Richtlinien. Die importierten Fälle schüren zugleich die
Angst vor einer möglichen zweiten Ausbreitungswelle. Trotz der
verhältnismäßig geringen Zahl der Neuinfektionen beklagt China
täglich weiter neue Todesfälle. Am Donnerstag stieg die Zahl der
Todesopfer um acht auf 3245. Insgesamt wurden auf den chinesischen
Festland 80 928 Infizierte registriert, von denen sich mehr als
66 000 wieder erholt haben.

DIE INTERNATIONALEN GRENZEN

Immer mehr Staaten machen ihre Grenzen dicht, nur Warenverkehr ist
noch erlaubt. Am Donnerstag ordneten die Niederlande ein faktisches
Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger an. Australien und Neuseeland
schlossen die Grenzen. Österreich schottete das stark betroffene
Bundesland Tirol komplett ab. Für alle 279 Gemeinden gelten seit
Mitternacht Quarantäneverordnungen: Man darf die Orte nur zum
Einkaufen, für Arztbesuche oder zur Arbeit verlassen - und dann nur
zum nächstgelegenen Ort. «Sofern es einen Arzt, eine Apotheke, einen
Lebensmittelhandel und eine Bank im Ort gibt, darf die Gemeinde für
diese Zwecke nicht verlassen werden», erklärte Tirols Landeschef
Günther Platter.

MILLIARDENPROGRAMME FÜR DIE WIRTSCHAFT

Die Bundesregierung und die Notenbanken stemmen sich mit aller Macht
gegen eine drohende Pleitewelle und Verwerfungen an den
Finanzmärkten. Solo-Selbstständige und Kleinstfirmen sollen mit 40
Milliarden Euro unterstützt werden - über direkte Zuschüsse und
Darlehen. Es geht etwa um Musiker, Fotografen, Künstler,
Heilpraktiker, Dolmetscher oder Pfleger, deren Geschäfte schließen
mussten, Messen, Veranstaltungen und Konzerte abgesagt wurden.

Europas Währungshüter legten ebenfalls nach: Die Europäische
Zentralbank (EZB) kündigte ein Notkaufprogramm für Anleihen an. 750
Milliarden Euro will die Notenbank in Staats- und Unternehmenspapiere
stecken. Das hilft Staaten wie Unternehmen, weil sie als Anbieter von
Wertpapieren nicht so hohe Zinsen bieten müssen, wenn eine
Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Der Dax, bei dem
sich zuvor eine erneute Talfahrt andeutete, stabilisierte sich nach
der Ankündigung der EZB, drehte danach aber wieder ins Minus.

SORGE VOR EINER STAATSSCHULDENKRISE

Führende Ökonomen rechnen mit einer möglicherweise sehr schweren
Rezession. Vier bekannte Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten nun
eine schrumpfende Wirtschaftsleistung. Die Corona-Krise könnte die
deutschen Unternehmen demnach härter treffen als die Finanzkrise
2009. Ein Hoffnungsschimmer: Die Forscher erwarten mehrheitlich einen
schnellen Aufschwung nach dem Ende der Krise.

REISE-ANBIETER IM EXISTENZKAMPF

Die Lufthansa und den Reisekonzern Tui kämpfen um ihre Existenz.
Beide Unternehmen setzen auf einen strikten Sparkurs und Kurzarbeit
für viele tausend Mitarbeiter. Die Lufthansa legte nahezu die gesamte
Flotte still und warb angesichts komplett weggebrochener Buchungen
und ungewisser Dauer der Pandemie um milliardenschwere Staatshilfen.
Bei Tui Deutschland sollen die Beschäftigten für ein halbes Jahr in
Kurzarbeit gehen. Nach Hochrechnungen der Branche summiert sich der
Ausfall bei den deutschen Veranstaltern und Reisebüros allein bis
Ende April auf mehr als 4,8 Milliarden Euro.

«LUFTBRÜCKE» FÜR TOURISTEN

Im beliebten Urlaubsregionen läuft weiter die größte Rückholaktion

für Touristen in der Geschichte der Bundesrepublik. Nachdem am
Mittwoch 1500 Urlauber aus Tunesien, Ägypten, Marokko und
Aserbaidschan mit Sondermaschinen nach Deutschland geflogen wurden,
starteten zusätzlich von den Philippinen und der Dominikanischen
Republik Maschinen mit deutschen Touristen. Zahlreiche Länder haben
wegen der rasanten Ausbreitung des Virus Grenzen dicht gemacht und
Flugverbindungen gekappt.

NACHSCHUB AN SCHUTZMASKEN

Der staatlich organisierte Nachschub an Schutzausrüstung für Praxen
und Krankenhäuser kommt in Gang. Das Gesundheitsministerium gab zehn
Millionen dringend benötigte Atemschutzmasken zur weiteren Verteilung
an die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Bundesländer. Daneben
gingen medizinische Hilfsgüter aus Deutschland an den besonders stark
von der Corona-Epidemie betroffenen EU-Partner Italien. Masken, aber
auch Schutzanzüge für medizinisches Personal sind derzeit weltweit
knapp. Die neuen Lieferungen an Schutzmasken sollen unter anderem an
Praxen, Bereitschaftsdienste und Stellen für Testabstriche verteilt
werden. Noch sei die Lage bei der Ausrüstung teils kritisch.

ERLEICHTERUNGEN FÜR PFLEGEHEIME

Damit Pflegerinnen und Pfleger mehr Zeit für die Betreuung haben,
müssen sie in den kommenen Monaten weniger am Schreibtisch sitzen.
Bürokratischer Anforderungen wie der sogenannte Pflege-TÜV zur
Qualitätsüberprüfung werden bis zum Herbst ausgesetzt. Vorerst
entfallen auch Personalvorgaben, damit Heime den Betrieb
aufrechterhalten können, wenn weniger Fachkräfte als vorgesehen
kommen können. Hintergrund ist, dass ältere und chronisch kranke
Menschen bei einer Ansteckung als besonders gefährdet gelten.

KITAS LÄNGER GESCHLOSSEN

Einige Eltern müssen sich darauf einstellen, ihre Kinder womöglich
länger zu Hause zu betreuen als ursprünglich angekündigt. Hamburg
weitete die Schließzeit der Kitas am Donnerstag bis zum 19. April
aus. In vielen anderen Bundesländern waren von vornherein
Schließungen bis nach den Osterferien, meist bis Mitte April geplant,
in Hamburg zunächst nur bis zum 29. März.

PROMINENTE CORONA-PATIENTEN

Am Donnerstag machten gleich mehrere Prominente ihre Infektion mit
dem Coronavirus öffentlich. Fürst Albert II. von Monaco wurde positiv
getestet. Um den Gesundheitszustand des 62-Jährigen muss man sich
laut Palast aber keine Sorgen machen. Auch der Brexit-Unterhändler
der EU, Michel Barnier, berichtete von einem positiven Test, genauso
der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir. Beide betonten, es gehe ihnen
gut. Genauso Amira Pocher, die Ehefrau von TV-Komiker Oliver Pocher.
Man halte sich nun strikt an die Quarantäne-Regeln, betonte das Paar.

BUNDESREGIERUNG UND LÄNDERKAMMER

Die Länder erwägen eine Sondersitzung des Bundesrats in der kommenden
Woche, um Gesetze zur Eindämmung der Corona-Krise schnell auf den Weg
zu bringen. Das könnten zum Beispiel milliardenschwere Hilfen sein,
die das Kabinett am Montag beschließen will. Für Sonntag ist auch
eine Schaltkonferenz Merkels mit den Ministerpräsidenten der Länder
geplant.