Lufthansa und Tui kämpfen in Coronakrise um Existenz Von Christian Ebner, Steffen Weyer und Jan Petermann, dpa

Die Coronakrise trifft Luftverkehr und Touristik als erste Branchen.
Selbst große Konzerne wie Lufthansa und Tui stürzen in heftige
Turbulenzen. Kurzarbeit alleine wird zum Überleben nicht ausreichen.

Frankfurt/Hannover (dpa) - Die Coronakrise zwingt die Lufthansa und
den Reisekonzern Tui in den Existenzkampf. Die Vorstände beider
Unternehmen setzen deshalb auf einen strikten Sparkurs und Kurzarbeit
für viele tausend Mitarbeiter. Angesichts komplett weggebrochener
Buchungen und ungewisser Dauer der Pandemie verlangen Verbände und
Politiker zudem direkte Staatshilfen. Allein die Fluggesellschaften
brauchten global rund 200 Milliarden Dollar (185 Mrd Euro) Nothilfe,
wie der Airlineverband IATA am Donnerstag in Genf erklärte. Mehrere
Tourismusunternehmen verlängern den Reisestopp. Branchenprimus Tui
Deutschland sagte sämtliche Reisen bis zum 23. April ab.

Die Lufthansa und ihre Töchter wollen zunächst mit einem
beispiellosen Sparprogramm durch die Coronakrise kommen. Der
Dax-Konzern legt nahezu die gesamte Flotte still, schickt
Zehntausende Mitarbeiter in die Kurzarbeit und wirbt um
milliardenschwere Staatshilfen. Diese würden immer wahrscheinlicher,
je länger die Krise andauere, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Wie
lange sein Unternehmen durchhalten kann, wollte er nicht
prognostizieren. «Wir wissen nur, dass wir es länger durchhalten als
andere.» Man habe aber auch schon mit der bundeseigenen KfW-Bank über
die Möglichkeiten gesprochen.

Bei Tui Deutschland sollen die Beschäftigten für ein halbes Jahr in
Kurzarbeit gehen. Die mit dem Management vereinbarte Regelung greife
für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September, hieß es in einer
Information des Konzernbetriebsrats. Das Unternehmen will demnach
über die gesamte Phase verschieden hohe Anteile von Kurzarbeit in
verschiedenen Bereichen einführen. Einzelheiten würden derzeit noch
verhandelt, war am Donnerstag aus der Zentrale in Hannover zu hören.
Tui hat bereits beschlossen, Staatsbürgschaften zu beantragen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) setzte sich für
rasche staatliche Hilfen ein. Tui sei eigentlich kerngesund, sagte er
der dpa. Der Nachfrageeinbruch wegen der Pandemie und die erzwungenen
Streichungen seien nun aber bedrohlich: «Jetzt ist innerhalb
kürzester Zeit das ganze Geschäftsmodell infrage gestellt.»

Nach Hochrechnungen des Branchenverbandes DRV summiert sich der
Ausfall bei den deutschen Veranstaltern und Reisebüros allein bis
Ende April auf mehr als 4,8 Milliarden Euro und werde weiter steigen.
«Ein Schutzschirm für die Reisewirtschaft ist jetzt dringend
notwendig. Die Politik ist gefordert, diese Umsatzausfälle mit einer
Beihilfe auszugleichen», forderte DRV-Präsident Norbert Fiebig.

Nach der Krise werde nicht nur die globale Branche, sondern auch das
Unternehmen Lufthansa ein anderes sein, sagte Spohr bei der
Bilanzvorlage für 2019 in Frankfurt. «Wir haben eine kleinere
Lufthansa-Gruppe vor uns.» Für die Hauptreisezeit im Sommer wagte der
Manager wie für das gesamte Geschäftsjahr keine Prognose. Um die
Fixkosten zu senken, plant der Konzern Kurzarbeit von mehreren
zehntausend Beschäftigten, will allerdings möglichst geringe
Zuschüsse oberhalb der Sozialleistungen zahlen. Je weniger Zuschuss
fließe, desto mehr Beschäftigte könnten an Bord bleiben, erklärte
Spohr. Es sei Unternehmensziel, möglichst alle 140 000 Beschäftigten

weiter zu beschäftigen. In Deutschland sei bereits Kurzarbeit für
31 000 Kabinen-Mitarbeiter der Lufthansa AG beantragt. Möglich sei
Kurzarbeit für den vollen Arbeitsumfang über ein ganzes Jahr.

Nächste Woche seien nur noch 50 Flüge pro Tag plus einige
Eurowings-Verbindungen geplant, schilderte Spohr die Situation.
Interkontinentalflüge starteten nur noch von Frankfurt und dreimal
pro Woche mit der Swiss ab Zürich. «Der Flugplan von 1955 sah genauso
aus wie der, den wir in der kommenden Woche fliegen.» Rund 700 der
763 Flugzeuge in der Konzernflotte stehen dann über viele Flughäfen
verteilt am Boden. In Frankfurt wird dafür eine Landebahn gesperrt.

Als einziger Betriebsteil floriert noch die derzeit voll ausgelastete
Frachttochter Lufthansa Cargo. «Die Nachfrage steigt täglich», sagte

Spohr. Das Unternehmen prüfe daher den Fracht-Einsatz verschiedener
Langstreckenjets aus der Passagierflotte. Zusätzlich sind die
Kranich-Jets wie auch die Tui-Flieger im Charter-Einsatz für die
Luftbrücke der Bundesregierung, um gestrandete Touristen nach Hause
zu holen. «Wir wollen uns daran nicht gesundstoßen», sagte Spohr.

Das Lufthansa-Management versucht, das Geld zusammenzuhalten. Die
Aktionäre sollen auf die Dividende verzichten, Boni werden
möglicherweise in Form von Aktien ausgegeben. Die Lufthansa hat sich
neue Kredite gesichert und verfügt laut Spohr einschließlich einer
Kreditlinie über flüssige Mittel von 5,1 Milliarden Euro. Zudem könne

die Lufthansa Flugzeuge im Wert von 10 Milliarden Euro als Sicherheit
bei Banken einbringen. «Unsere Bilanz ist stärker, die Eigentumsquote
ist höher als bei fast allen unserer Wettbewerbern.»

Der Lufthanseat macht sich Sorgen um Europas Fluggesellschaften und
ihre künftige Rolle. Die Weltwirtschaft schrumpfe, und die Luftfahrt
werde von solchen Entwicklungen normalerweise doppelt so stark
getroffen. China habe seine Fluggesellschaften in der Krise
weitgehend verstaatlicht, die USA gewährten den heimischen Fluglinien
erhebliche Finanzhilfen, und selbst die seit Jahren insolvente
italienische Fluglinie Alitalia kommt wieder in staatliche Hände.

Im abgelaufenen Jahr musste die Lufthansa wegen einer Preisschlacht
im Europageschäft und gestiegener Kerosinpreise einen herben
Gewinnrückgang hinnehmen. Während der Umsatz um 2,5 Prozent auf 36,4
Milliarden Euro stieg, sackte der bereinigte Gewinn vor Zinsen und
Steuern (bereinigtes Ebit) um 29 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro
zusammen. Der Nettogewinn brach sogar um 44 Prozent auf 1,2
Milliarden Euro ein, war aber immerhin noch das drittbeste Ergebnis
in der Unternehmensgeschichte.