Bundeswehr vor langem Corona-Einsatz - «Durchhaltefähigkeit» stärke n Von Carsten Hoffmann und Michael Fischer, dpa

Die Bundeswehr steht vor ihrer womöglich größten Aufgabe. Die
Verteidigungsministerin will gegen die Corona-Pandemie alle dafür
verfügbaren Kräfte bereitstellen: Sanitäter, Techniker und Logistiker

- wenn es sein muss, auch Kräfte für Sicherheit und Ordnung.

Berlin (dpa) - In der Corona-Krise bereitet Verteidigungsministerin
Annegret Kramp-Karrenbauer die Bundeswehr auf einen langen
Kriseneinsatz vor, bei dem auch 75 000 Reservisten zur Hilfe gerufen
werden. «Uns allen muss bewusst sein, dass dieser Kampf gegen das
Virus ein Marathon ist», sagte die CDU-Vorsitzende am Donnerstag in
Berlin. Man werde «alles tun, was in unserer Macht steht», um die
Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Aufgabe sei es, die «Durchhaltefähigkeit der zivilen Kräfte» zu
unterstützen, so Kramp-Karrenbauer. Ausdrücklich erwähnte sie in
einem Tagesbefehl an die Truppe auch Einsätze zur «Aufrechterhaltung
von Sicherheit und Ordnung», wenn nötig.

In der Corona-Krise wurden bislang 13 von rund 50 Anträgen auf
sogenannte Amtshilfe positiv beschieden. Vor allem geht es um die
Beschaffung medizinischen Materials. Das Aufgabenspektrum dürfte in
den nächsten Wochen aber erheblich ausgeweitet werden. «In der
aktuellen Situation sind schnelle Entscheidungen wichtig», sagte
Kramp-Karrenbauer. «Wir werden so lange unterstützen, wie wir
gebraucht werden».

Die Bundeswehr kann laut Verfassung bei einer Naturkatastrophe oder
einem besonders schweren Unglücksfall auch im Inland eingesetzt
werden - abweichend von ihrem eigentlichen Auftrag der
Landesverteidigung. Unter anderem half sie bei den
Hochwasserkatastrophen an Elbe und Oder und bei der Aufnahme
hunderttausender Flüchtlinge aus Syrien 2015. Für Verwendung von
Soldaten bei «hoheitlichen Aufgaben» - also beispielsweise zu
Unterstützung der Polizei - gibt es im Grundgesetz hohe Hürden.

Mit ihrem Tagesbefehl unter dem Titel «Wir kämpfen gegen einen
unsichtbaren Gegner!» stimmte die Ministerin die etwa 180 000
Bundeswehrsoldaten auf den Einsatz ein. Auch die Fähigkeiten der
Reservisten sollten genutzt werden. Beim Sanitätsdienst der
Bundeswehr haben sich nach ihren Angaben schon 2336 Freiwillige
gemeldet.

Der Reservistenverband hat 115 000 Mitglieder. 28 000 «beorderte»
Reservisten nehmen regelmäßig an Übungen teil. Diese Zahl ist
deutlich geringer als die theoretisch etwa 940 000 Reservisten, die
in einem Verteidigungsfall eingezogen werden könnten.

Generalinspekteur Eberhard Zorn stellte klar, dass es bisher keine
Anträge aus den Ländern oder Kommunen gebe, die Patrouillen der
Bundeswehr fordern. «Es ist nicht davon auszugehen, dass wir jetzt
hier in irgendeiner Form einen Aufmarsch machen.» Die Bundeswehr
bewache lediglich ihre Kasernen mit Pistolen und Gewehren - unter den
engen gesetzlichen Auflagen. «Es braucht sich keiner Sorgen machen,
dass die Bundeswehr Coronapartys auflöst oder Ausgangsbeschränkungen
überwacht.»

Im Tagesbefehl schrieb Kramp-Karrenbauer: «Wir helfen bei der
Gesundheitsversorgung und wenn nötig auch bei der Gewährleistung von
Infrastruktur und Versorgung sowie der Aufrechterhaltung von
Sicherheit und Ordnung.» Dafür werde sich die Bundeswehr mit hohem
Engagement einbringen. Gleichzeitig warnte die Ministerin vor zu
großen Erwartungen. Bundeswehr und ihre Krankenhäuser mit rund 3000
Ärzten seien nur ein kleiner Teil des Gesundheitssystems sind.

Nach dpa-Informationen gibt es aus den Landkreisen teils Fragen, die
als unerfüllbar oder unüberlegt eingestuft werden. So wurde
angefragt, ob die fliegende Intensivstation der Luftwaffe - ein für
die Sicherheit der Auslandseinsätze zentraler MedEvac-Airbus - am
Boden bleiben und zur Beatmung Erkrankter abgegeben werden kann.

Thüringen bat die Bundeswehr darum, in einer Unterkunft für
Asylbewerber in Suhl zu helfen, deren Bewohner unter Quarantäne
stehen. Kramp-Karrenbauer sagt: «Da geht es auch um den Einsatz
unserer Kräfte in einer Aufnahmeunterkunft, die im Moment mit allen
Bewohnerinnen und Bewohnern unter Quarantäne steht, und wo die
zivilen Kräfte, also die privaten Sicherungsdienste, eben auch im
Moment nicht so verfügbar sind.» Begonnen hat der Einsatz nicht.

Ein Sprecher der Thüringer Landesregierung sagte, Kramp-Karrenbauer
habe mit den Ländern über eine mögliche Hilfe der Bundeswehr
gesprochen. «Es wäre fahrlässig, diese Hilfe - sofern sie nötig ist
-
nicht in Anspruch zu nehmen.» In Suhl gehe es «nicht um Bewachung,
sondern um die Sicherung der Versorgung für die rund 500 Bewohner,
die in Quarantäne sind.»

Die Polizei hatte Anfang der Woche 22 Männer aus der unter Quarantäne
stehenden Landeserstaufnahmestelle in Suhl wegen Widerstands gegen
die Isolationsbestimmungen verlegt. Sie wurden in einem leerstehenden
Gelände auf dem Gelände einer ehemaligen Jugendarrestanstalt
untergebracht. Die mutmaßlichen Störer hätten sich in grober Weise
den getroffenen Quarantäne-Anordnungen widersetzt, hieß es. Einige
sollen sogar versucht haben, über die Kanalisation zu entkommen.