Milliardenschweres Hilfsprogramm für Unternehmen kommt

In der Coronakrise geht es schnell: Baden-Württemberg greift kleinen
und mittelgroßen Firmen mit einem milliardenschweren Paket unter die
Arme. Anträge sollen schon ab Ende der kommenden Woche gestellt
werden können.

Stuttgart (dpa/lsw) - Das Land hilft kleinen und mittelgroßen
Unternehmen in der Coronakrise mit einem milliardenschweren
Hilfsprogramm. Das Parlament gab am Donnerstag in Stuttgart grünes
Licht dafür, dass das Land in der Coronakrise selber Kredite von bis
zu fünf Milliarden Euro aufnehmen darf, um der Wirtschaft zu helfen.
Entsprechende Anträge sollen laut Staatsministerium schon ab Ende
nächster Woche gestellt werden können. «Wir haben keine Zeit zu
verlieren und müssen rasch branchenübergreifend handeln. Wir müssen
uns jetzt schnell um die Kleinstbetriebe, die Selbstständigen und die
kleinen Unternehmen kümmern, denen die Aufträge wegbrechen», sagte
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).

Man müsse ein besonderes Augenmerk auf Selbstständige und
Kleinstunternehmer legen, weil die Coronakrise sie besonders treffe,
sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). «Sie
trifft es deshalb besonders hart, weil sie naturgemäß über wenig
Rücklagen verfügen.» Auch hätten sie das Problem, dass Kredite üb
er
die Hausbank oft zu langsam kämen.

Um die Hilfe zu stemmen, weicht Baden-Württemberg von der im
Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ab. Diese sieht vor, dass die
Bundesländer eigentlich keine neuen Kredite aufnehmen dürfen. Das
Parlament stimmte aber zu, die Coronakrise als Naturkatastrophe zu
bezeichnen. Dann ist die Aufnahme von Krediten möglich.

Den Gesetzentwurf für die Kreditaufnahme von fünf Milliarden Euro
hatten Grüne, CDU, SPD und FDP kurzfristig gemeinsam in den Landtag
eingebracht. Die AfD beklagte sich darüber, dass sie bei dem Vorhaben
nicht mit ins Boot geholt wurde. Sie selbst habe bereits einen
Nothilfefonds in Höhe von sieben Milliarden Euro gefordert.

CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart sagte, der Rettungsschirm
des Landes solle das Schutzprogramm des Bundes für Unternehmen
ergänzen. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sagte, man wolle einen
tragfähigen Rettungsschirm aufspannen. Er solle kleinen und
mittelgroßen Firmen sowie Solo-Selbstständigen zugute kommen, in dem
an sie Direkthilfen gezahlt würden. Voraussetzung für die Zahlung
sei, dass sie nachweislich Umsatzeinbußen durch die Coronakrise
hätten und in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht seien.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte, das Gebot der Stunde sei
jetzt nicht, keine Schulden zu machen, sondern die Möglichkeit für
Direkthilfen für Unternehmen zu schaffen. SPD-Fraktionschef Andreas
Stoch sagte, das Geld solle vor allem den Menschen dienen, bei denen
es um die wirtschaftliche Existenz gehe.

Die Pläne des Wirtschaftsministeriums sehen einen Härtefallfonds für

Selbstständige und kleine bis mittlere Unternehmen vor. Der Fonds mit
einem Volumen von 3,5 Milliarden Euro soll die Betroffenen mit
direkten Zuschüssen dabei unterstützen, finanzielle Engpässe zu
überbrücken. Zudem soll beim Landesförderinstitut L-Bank ein
Beteiligungsfonds mit einem Volumen von einer Milliarde Euro
aufgelegt werden, um die kleineren Mittelständler mit einer Erhöhung
des Eigenkapitals zu stabilisieren. Mit 0,5 Milliarden Euro soll das
Bürgschaftsprogramm des Instituts ausgeweitet werden, zwei Millionen
Euro sollen in ein Krisenberatungsprogramm für Selbstständige und
kleine Unternehmen fließen.

Der baden-württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK)
begrüßte die Maßnahmen, vor allem den Härtefallfonds. «Landtag un
d
Landesregierung haben heute das richtige Zeichen gesetzt», sagte am
Donnerstagnachmittag BWIHK-Präsident Wolfgang Grenke. Die Gefahr
einer Insolvenzwelle sei absolut greifbar. «Für die meisten Branchen
geht es dabei mit Blick auf ihre Liquidität und Rücklagensituation um
wenige Wochen, für kleine Unternehmen - gerade, wenn sie null Umsätze
bei weiter laufenden Ausgaben haben - sogar um Tage.»

Neben diesen Maßnahmen passierte ein Nachtragsetat der grün-schwarzen
Landesregierung das Parlament. Damit kann die Regierung in der
Coronakrise auf eine millionenschwere Rücklage im Landeshaushalt
zurückgreifen. Nach Angaben des Finanzministeriums stehen 1,2
Milliarden Euro aus der Rücklage bereit. Andererseits hat das Land
aber derzeit Kreditmarktschulden in Höhe von rund 45 Milliarden Euro,
die jetzt erst einmal steigen werden. Die Aufnahme von neuen Krediten
durch das Land ist aber mit einem Tilgungsplan verbunden.