Coronakrise legt Werke des VW-Konzerns in Sachsen vorübergehend lahm

Markteinbruch, Lieferprobleme, Infektionsrisiken: Die Corona-Pandemie
trifft die Autoindustrie hart. Wie andere Hersteller unterbricht nun
auch VW europaweit die Produktion. Betroffen sind auch alle drei
Standorte in Sachsen.

Wolfsburg/Dresden (dpa/sn)- Die wachsende Ansteckungsgefahr und die
drastischen wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise zwingen
Volkswagen von Donnerstagabend an zur Schließung der Werke in
Deutschland. Auch in anderen Ländern Europas wird die Produktion der
Kernmarke vorläufig unterbrochen, bei mehreren Töchtern wird dieser
Schritt geplant oder ist bereits in Kraft. An den VW-Pkw-Standorten
in der Bundesrepublik soll mit dem Ende der Spätschicht um 22.00 Uhr
die Fertigung ruhen.

Für die internen Zulieferfabriken gelte dies dann «teilweise» schon
ebenfalls, erklärte Kernmarkengeschäftsführer Ralf Brandstätter - w
ie
auch für die leichten Nutzfahrzeuge und den Sitzhersteller Sitech.
Örtlich zieht sich das Herunterfahren bis in den Freitagnachmittag,
wie aus Braunschweig zu hören war. Zunächst zehn Arbeitstage lang
sollen keine Fahrzeuge oder Bauteile mehr hergestellt werden. In
einer ersten Phase würden Überstunden abgebaut, wie Beschäftigte
berichteten. Es gebe darüber hinaus auch Pläne für Kurzarbeit.

In Sachsen sind alle drei Standorte des Autobauers betroffen - die
Gläserne Manufaktur in Dresden, das Zwickauer Werk sowie das
Motorenwerk in Chemnitz. Die Auslieferungen von Fahrzeugen in der
Gläsernen Manufaktur seien bereits am Mittwoch eingestellt worden,
sagte ein Sprecher von Volkswagen Sachsen. Auch der Besucherservice
in der Gläsernen Manufaktur ist bereits geschlossen. Es sei ein
«geordnetes Auslaufen», hieß es. Volkswagen beschäftigt im Freistaa
t
rund 10 000 Mitarbeiter und gilt als größter privater Arbeitgeber.

Im wichtigsten Markt China, wo die Pandemie ausgebrochen war, hatte
VW schon zahlreiche Werke vom Netz nehmen müssen. Während sich die
Lage dort wieder langsam stabilisiert, schlagen die Probleme jetzt
voll auf die Heimatregion des weltgrößten Autokonzerns durch.

Vorgaben zum Gesundheitsschutz waren zuletzt nicht mehr vollständig
einzuhalten, es gab auch positive Virus-Testergebnisse. «Die
Verunsicherung in den Büros und an der Linie hatte in den letzten
Tagen immer mehr zugenommen», sagte Brandstätter. «Das Gefühl der
Unsicherheit wollten wir niemanden mehr zumuten.» Zudem sackt die
Auto-Nachfrage stark ab, VW droht eine teure Unterauslastung der
Produktion. «Der europäische Automobilmarkt liegt derzeit am Boden.»


Abbrechende Lieferketten führen ebenso zu Problemen, wenn Mitarbeiter
von Lieferanten zu Hause bleiben müssen oder es in der Logistik hakt.
«Natürlich hat uns auch die Teileversorgung Sorge bereitet», meinte
Brandstätter. «Transitrouten sind teilweise geschlossen, bei einigen
Zulieferern stehen die Betriebe still.» So erklärte Continental, die
eigene Produktion «vorübergehend teilweise auf null» zurückzusetzen
.

Der Stopp bei VW gilt für den Stammsitz Wolfsburg, die Standorte
Emden, Hannover, Osnabrück, Zwickau, Dresden und die Komponentenwerke
Braunschweig, Salzgitter, Kassel, Chemnitz sowie die Sparte Sitech.
In Spanien ist Pamplona, in Portugal Palmela betroffen. Im
slowakischen Bratislava wird seit Dienstag nicht mehr gearbeitet.

Schließungen gibt es bis zum Wochenende auch bei Audi in Ingolstadt
und Neckarsulm sowie in Belgien, Ungarn und Mexiko. Bei Porsche
bleiben das Stammwerk in Stuttgart-Zuffenhausen und das Werk in
Leipzig von Samstag an für zunächst zwei Wochen dicht. Skoda hatte in
Tschechien bereits am Mittwochabend die Fertigung heruntergefahren.

VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh sagte: «In Zeiten, in denen
die Menschen nicht mehr auf Spielplätze, zu Konzerten, in die Kirche
oder abends ins Restaurant dürfen - und auch keine Autos mehr kaufen
und Volkswagen Zuliefererprobleme hat -, da kann die Produktion nicht
einfach weiterlaufen, als wäre nichts passiert.» Die finanziellen
Risiken der Krise sind laut Vorstandschef Herbert Diess noch nicht
abzuschätzen. Eine Prognose für das restliche Jahr ist kaum möglich.


Das wichtigste Projekt 2020 ist der Start des E-Autos ID.3. Dort gibt
es bereits Verzögerungen mit der Software-Ausstattung. Der Anlauf
habe Priorität, so Brandstätter - er stehe «ganz oben auf der Liste
».

Auch die schweren Nutzfahrzeuge spüren die Corona-Folgen. Die Tochter
MAN setzt ihre Produktion in München ebenfalls am Donnerstag aus, für
die Zeit ab Montag soll für die meisten Beschäftigten Kurzarbeit
beantragt werden. Scania unterbricht die Fertigung ab dem 25. März.