Dramatische Krise: Notfonds für Kleinstfirmen - EZB als Feuerwehr Von Andreas Hoenig, Friederike Marx und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Viele Kleinstfirmen und Solo-Selbständige stehen in der Coronakrise
vor dem Nichts. Die Politik will nun handeln. Die Europäische
Zentralbank will die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mit einem
gewaltigen Programm abfedern.

Berlin/Frankfurt/Brüssel (dpa) - Bundesregierung und Notenbanken
wollen sich in der Coronavirus-Krise mit aller Macht gegen eine
drohende Pleitewelle und Verwerfungen an den Finanzmärkten stemmen.
Angesichts von Existenznöten bei Solo-Selbstständigen und
Kleinstfirmen plant die Bundesregierung ein Hilfspaket von über 40
Milliarden Euro. Weitere Maßnahmen könnten nötig sein. Bundesländer

kündigten eigene Programme an. Die Europäische Zentralbank legte ein
neues Anleihenkaufprogramm im Volumen von 750 Milliarden Euro bis
mindestens Ende 2020 auf - das hilft Staaten wie Unternehmen. Ein
Überblick.

NOTFONDS FÜR KLEINFIRMEN:

Viele Solo-Selbstständige und kleine Firmen fürchten derzeit um ihre
Existenz - also etwa Musiker, Fotografen, Künstler, Heilpraktiker,
Dolmetscher oder Pfleger. Viele Geschäfte mussten schließen, Messen,
Veranstaltungen und Konzerte wurden abgesagt. «Wenn der Umsatz über
Nacht auf Null rauscht, stehen sonst hunderttausende Unternehmen,
Kleinstbetriebe und Solo-Selbstständige innerhalb von Wochen vor dem
Nichts», sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer.

Geplant sind nun direkte Zuschüssen und Darlehen. Insgesamt geht es
um ein Volumen von über 40 Milliarden Euro, wie die Deutsche
Presse-Agentur am Donnerstag aus Regierungskreisen erfuhr. Das
Hilfspaket soll zügig auf den Weg gebracht werden. Nächste Woche soll
zunächst das Kabinett die Hilfen beschließen, dann der Bundestag den
Notfonds verabschieden.

Details sind noch offen, im Gespräch sind aber Zuschüsse von 9000 bis
10 000 Euro für Firmen bis 5 Beschäftigte und bis zu 15 000 Euro f
ür
Firmen bis zehn Beschäftigte - für eine Dauer von bis zu 3 Monaten.
Der Bundesverband der Freien Berufe mahnte schnelle und
unbürokratische Hilfen an. Auch mehrere andere Bundesländer legen
Hilfsprogramme auf. So will Nordrhein-Westfalen 25 Milliarden Euro
Wirtschaftshilfe bereitstellen, Bayern hatte ein zehn Milliarden Euro
schweres Hilfspaket beschlossen.

PROGRAMM DER EZB:

Auch die Notenbanken rund um den Globus stemmen sich mit aller Macht
gegen die Krise. Mit Billiggeld für Banken, teils deutlichen
Zinssenkungen und milliardenschweren Anleihenkäufen wollen sie die
Konjunktur stützen und Verwerfungen an den Finanzmärkten verhindern.
Die Europäische Zentralbank beschloss ein neues Anleihenkaufprogramm.
750 Milliarden Euro will die Notenbank in Staats- und
Unternehmenspapiere stecken - vorerst. Das «Pandemic Emergency
Purchase Programme» (PEPP) soll mindestens bis zum Ende dieses Jahres
laufen.

Das hilft Staaten wie Unternehmen: Sie müssen als Anbieter der
Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als
großer Käufer am Markt auftritt. Letztlich profitieren auch die
Bürger im Euroraum, wenn Staaten und Firmen günstiger an Geld kommen.
Denn die Euro-Staaten müssen zur Bekämpfung der Coronavirus-Krise
Milliarden für Hilfsprogramme ausgeben. Das ist vor allem für hoch
verschuldete Länder wie Italien ein Problem.

Die Notenbank will zudem mit besonders günstigen Kredite Banken dazu
bewegen, mehr Kredite zu vergeben und so besonders betroffene
Branchen und Unternehmen unterstützen. Das soll vor allem kleinen und
mittelgroßen Firmen helfen. Im Extremfall könnten Europas
Währungshüter auch das 2012 beschlossene aber nie umgesetzte Programm
zum unbegrenzten Erwerb von Staatsanleihen von Krisenstaaten (OMT)
aktivieren. Voraussetzung wäre, dass betroffene Staaten unter den
Rettungsschirm ESM schlüpfen.

INSTRUMENTENKASTEN DER EURO-LÄNDER:

Eurogruppenchef Mario Centeno lobte am Donnerstag die
EZB-Entscheidung - machte aber zugleich deutlich, dass die EU-Länder
noch mehr Optionen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise im Zuge der
Pandemie erwägen. «Länder treffen harte Entscheidungen und wir prüf
en
Wege, die gemeinsame Antwort der EU zu verstärken», schrieb der
portugiesische Finanzminister auf Twitter.

Bisher bestand diese Antwort vor allem in der Einigung, die
europäischen Schulden-, Defizit- und Beihilferegeln bis aufs Äußerste

auszureizen, damit die EU-Staaten selbst finanziellen Spielraum für
Hilfen haben. Nun wird im Hintergrund geprüft, wie der
Eurorettungsschirm ESM genutzt werden könnte, der nach Angaben seines
Chefs Klaus Regling 410 Milliarden Euro Ausleihkapazität frei hat.

Möglich wären sogenannte vorsorgliche Kreditlinien an einzelne oder
auch alle 19 Euro-Staaten - im Prinzip eine Art Kreditgarantie für
den Fall, dass Schwierigkeiten bei der Refinanzierung der Staaten an
den Kapitalmärkten auftreten. Das wäre nicht verbunden mit
Reformauflagen wie damals bei der Griechenland-Hilfe, sondern nur mit
Bedingungen für die baldige Rückzahlung genutzter Kredite.

WEITERE HILFEN DER BUNDESREGIERUNG:

Die Bundesregierung hatte bereits umfassende Maßnahmen auf den Weg
gebracht, um die wirtschaftlichen Folgen der beispiellosen Krise
abzufedern. So hatte sie ein unbegrenztes Kreditprogramme für
Unternehmen beschlossen. Möglicherweise legt die Regierung hier aber
noch einmal nach und lockert Kreditbedingungen, damit möglichst viele
Firmen Unterstützung bekommen.

Außerdem bekommen betroffene Firmen nun steuerliche Hilfen.
Entsprechende Erlasse hat das Bundesfinanzministerium nach
dpa-Informationen am Donnerstag mit den Ländern abgestimmt. Wenn
Unternehmen wegen der wirtschaftlichen Folgen des Virus in diesem
Jahr fällige Steuern nicht zahlen können, können sie einen Antrag auf

Fristverlängerung stellen. Zinsfrei soll ihnen dann ein Aufschub für
Einkommen-, Körperschafts- und Umsatzsteuer gewährt werden.

Beschlossen ist zudem bereits eine Ausweitung des Kurzarbeitergelds.
Politik und Sozialpartner hatten zudem angekündigt, Lohnlücken
gemeinsam abzufedern. Arbeitnehmer sind nach Einschätzung der
Bundesregierung millionenfach auf Kurzarbeitergeld wegen der
Coronakrise angewiesen. «Es wird von 2,15 Millionen Fällen des Bezugs
von konjunkturellem Kurzarbeitergeld ausgegangen», heißt es in der
entsprechenden Verordnung des Bundesarbeitsministeriums. Die
Gewerkschaften protestierten gegen die Regelung, wonach den
Arbeitgebern die Sozialversicherungsbeiträge, die sie bei Kurzarbeit
zu zahlen haben, in voller Höhe erstattet werden. Die Arbeitnehmer
bekämen davon nichts, kritisierte Verdi-Chef Frank Werneke.

Tarifregelungen über eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes gibt es
bislang nur in einigen Branchen. Streit darum ist in der Gastronomie
entbrannt. Den Arbeitgebern warf die Gewerkschaft NGG vor, sich einem
Tarifvertrag über Kurzarbeit mit Kündigungsschutz und einer
Aufstockung des Kurzarbeitergeldes zu verweigern. Der Branchenverband
Dehoga wies entsprechende NGG-Forderungen strikt zurück. Diese seien
«wirtschaftlicher Irrsinn und würden viele Betriebe direkt in die
Insolvenz treiben».

Wirtschaftsverbände wollen, dass die Bundesregierung weiter nachlegt.
So forderte der Deutsche Tourismusverband Bund und Länder auf, sofort
einen Rettungshilfefonds für Betriebe in besonders betroffenen
Branchen einzurichten. Der Tourismus gehört zu den Branchen, die
angesichts drastischer Einschränkungen im weltweiten Reiseverkehr von
der Krise besonders betroffen sind.