Lufthansa steht nahezu still - Branche im gewaltigen Umbruch

Die Coronakrise hat den Höhenflug der Lufthansa abrupt beendet.
Konzernchef Spohr steht auf der Kostenbremse. Er sieht sein
Unternehmen für die Zeit danach aber besser gerüstet als die
Konkurrenz.

Frankfurt/Main (dpa) - Die Lufthansa und ihre Töchter wollen mit
einem beispiellosen Sparprogramm durch die Coronakrise kommen. Der
Dax-Konzern legt nahezu die gesamte Flotte still, schickt
Zehntausende Mitarbeiter in die Kurzarbeit und wirbt um
milliardenschwere Staatshilfen. Nach der Krise werde nicht nur die
globale Branche, sondern auch das Unternehmen ein anderes sein, sagte
Vorstandschef Carsten Spohr am Donnerstag bei der Bilanzvorlage
in Frankfurt. «Wir haben eine kleinere Lufthansa-Gruppe vor uns.»

Derzeit befinde sich das Unternehmen im «Ausnahmezustand», sagte der
Chef des umsatzstärksten Luftverkehrskonzerns in Europa. In der
kommenden Woche seien nur noch rund 50 Flüge pro Tag plus einige
Eurowings-Verbindungen geplant. Interkontinentalflüge starteten nur
noch von Frankfurt und dreimal pro Woche mit der Tochter Swiss ab
Zürich. «Der Flugplan von 1955 sah genauso aus wie der, den wir in
der kommenden Woche fliegen», sagte Spohr. Rund 700 der 763 Flugzeuge
in der Konzernflotte stehen dann über viele Flughäfen verteilt am
Boden. In Frankfurt wird dafür sogar die Nordwest-Landebahn gesperrt.

Als einziger Betriebsteil floriert noch die derzeit voll ausgelastete
Frachttochter Lufthansa Cargo. «Die Nachfrage steigt täglich», sagte

Spohr. Das Unternehmen prüfe daher den Einsatz verschiedener
Langstreckenjets aus der Passagierflotte, damit Lufthansa ihren Teil
beitragen könne, die Lieferketten sicherzustellen. Zusätzlich sind
die Kranich-Jets im Charter-Einsatz für die Luftbrücke der
Bundesregierung, um gestrandete Touristen nach Hause zu holen. «Wir
wollen uns daran nicht gesundstoßen», sagte Spohr dazu.

Für die Hauptreisezeit im Sommer wagte Spohr wie für das gesamte
Geschäftsjahr keine Prognose. Um die Fixkosten zu senken, plant der
Konzern Kurzarbeit von mehreren zehntausend Beschäftigten, will
allerdings möglichst geringe Zuschüsse oberhalb der Sozialleistungen
zahlen. Je weniger Zuschuss fließe, desto mehr Beschäftigte könnten
an Bord bleiben, erklärte Spohr. Es sei Unternehmensziel, möglichst
alle 140 000 Beschäftigten weiter zu beschäftigen. In Deutschland sei

bereits Kurzarbeit für 31 000 Kabinen-Mitarbeiter der Lufthansa AG
beantragt. Möglich sei Kurzarbeit für den vollen Arbeitsumfang über

ein ganzes Jahr. Auch in Belgien, Österreich und der Schweiz planen
die LH-Airlines Kurzarbeit.

Das Management versucht, das Geld des Konzerns zusammenzuhalten. Die
Aktionäre sollen auf die Dividende verzichten, Boni sollen
möglicherweise als Aktien ausgegeben werden. Die Lufthansa hat sich
neue Kredite gesichert und verfügt laut Spohr einschließlich einer
Kreditlinie über flüssige Mittel von 5,1 Milliarden Euro. Zudem könne

die Lufthansa Flugzeuge im Wert von 10 Milliarden Euro als Sicherheit
bei Banken einbringen. «Unsere Bilanz ist stärker, die Eigentumsquote
ist höher als bei fast allen unserer Wettbewerbern», sagte Spohr.

Zusätzliche Flugzeuge kann der Konzern derzeit allerdings nicht
gebrauchen. Man verhandle mit den Herstellern Airbus und Boeing, die
Abnahme bestellter Maschinen in die Zukunft zu verschieben, sagte
Spohr. Eigentlich bekäme die Lufthansa in diesem Jahr praktisch
ständig nagelneue Flugzeuge geliefert.

Wie lange die der Konzern die Krise durchhalten könnte, wollte der
Vorstand nicht prognostizieren. «Wir wissen nur, dass wir es länger
durchhalten als andere», sagte Spohr. Im Extremfall könnte die
Lufthansa Kredite vom Staat benötigen. Man habe schon mit der
bundeseigenen Förderbank KfW über die Möglichkeiten gesprochen.

Der Weltluftfahrtverband IATA geht davon aus, dass bei drei Vierteln
der Fluggesellschaften weltweit das Geld nur für drei Monate
ausreicht, um fixe Kosten wie Darlehenszinsen zu bezahlen. Durch die
Flugstreichungen auf breiter Front seien ohne staatliche Hilfen viele
Airlines in ihrer Existenz bedroht.

Spohr macht sich Sorgen um die Europas Fluggesellschaften und ihre
künftige Rolle in der Welt. Die Weltwirtschaft schrumpfe, und die
Luftfahrt sei von solchen Entwicklungen normalerweise doppelt so
stark betroffen. China habe seine Fluggesellschaften wegen der Krise
weitgehend verstaatlicht, die USA gewährten den heimischen Fluglinien
erhebliche Finanzhilfen, und auch die seit Jahren insolvente
italienische Fluglinie Alitalia kommt wieder in staatliche Hände.

Finanzchef Ulrik Svensson zeigte sich zwar überzeugt, dass «die
Lufthansa auch nach Corona noch fliegen und als Gewinner aus der
Krise hervorgehen wird». Spohr zufolge wird der Konzern danach aber
«nicht in den Normalzustand zurückfinden».

Im abgelaufenen Jahr musste die Lufthansa wegen einer Preisschlacht
im Europageschäft und gestiegener Kerosinpreise einen herben
Gewinnrückgang hinnehmen. Während der Umsatz um 2,5 Prozent auf 36,4
Milliarden Euro stieg, sackte der bereinigte Gewinn vor Zinsen und
Steuern (bereinigtes Ebit) um 29 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro
zusammen. Der Nettogewinn brach sogar um 44 Prozent auf 1,2
Milliarden Euro ein, war aber immerhin noch das drittbeste Ergebnis
in der Unternehmensgeschichte.

Den niedrigen Aktienkurs hat der Münchner Unternehmer und Milliardär
Heinz Hermann Thiele genutzt, um sich laut Pflichtmitteilungen mit
5,29 Prozent an der Lufthansa zu beteiligen.