Söder droht mit bayernweiter Ausgangssperre - Landtag in Krise einig

Ungeachtet der raschen Ausbreitung des Coronavirus halten sich viele
Menschen noch nicht an die neuen Auflagen. Markus Söder droht nun mit
einem drastischen Mittel. Der Landtag zeigt in der Krise Einigkeit.

München (dpa/lby) - Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus
droht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun ganz konkret
mit einer Ausgangssperre für den ganzen Freistaat. «Wenn sich viele
Menschen nicht freiwillig beschränken, dann bleibt am Ende nur die
bayernweite Ausgangssperre als einziges Instrumentarium», sagte Söder
am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Landtag in München.

Man werde «nicht endlos zusehen», betonte Söder. Es gelte ein ganz
einfacher Grundsatz: Menschen sollten nur noch zur Arbeit, für
Arztbesuche, zum Lebensmitteleinkauf oder zur Hilfe für andere das
Haus verlassen. Man könne auch nach draußen gehen - «aber wenn es
geht eben allein». «Und bitte: Bleiben Sie sonst zu Hause, und laden
Sie auch niemanden ein.» Eine Ausgangssperre galt am Donnerstag aber
schon für drei Gemeinden in der Oberpfalz und in Oberfranken.

In nahezu beispielloser Einigkeit riefen Söder und die Vorsitzenden
aller Fraktionen die Menschen in Bayern auf, Verantwortung zu zeigen,
Abstand zu anderen Menschen zu halten und soziale Kontakte
einzudämmen, um gemeinsam die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.
Söder sprach von einer historischen Bewährungsprobe und betonte,
jeder könne und jeder müsse in dieser Krise seinen Beitrag leisten.

Im Eiltempo gab der Landtag am Donnerstag grünes Licht für ein zehn
Milliarden Euro schweres Hilfspaket für die bayerische Wirtschaft.
Dazu kann die Staatsregierung zehn Milliarden Euro Schulden machen,
die Schuldenbremse wird für ein Jahr faktisch außer Kraft gesetzt -
diese Möglichkeit sieht die Landesverfassung für «Naturkatastrophen
oder außergewöhnlichen Notsituationen» ganz ausdrücklich vor.

Söder verlangte aber auch vom Bund ein 100 bis 150 Milliarden Euro
schweres Hilfspaket, um die Folgen der Corona-Krise für die
Wirtschaft abzumildern. Zudem forderte er für mindestens drei Monate
die vollständige Aussetzung der Stromsteuer und der EEG-Umlage.

Insgesamt sind nach Angaben Söders bis Donnerstagmorgen 2282 Menschen
mit dem Coronavirus infiziert worden und zehn Menschen gestorben.

Seine Drohung mit einer bayernweiten Ausgangssperre begründete Söder
damit, dass sich viele Menschen nicht an die neuen Auflagen und
Empfehlungen hielten. Das schöne Wetter verführe zum Treffen mit
Freunden an der Isar, im Englischen Garten, am Tegernsee oder an
vergleichbaren Orte in Bayern. Es liege aber an jedem einzelnen,
seinen Beitrag zu leisten. Söder rief explizit auch dazu auf, auf
wechselseitige Einladungen von Kindern zu verzichten. Mit scharfen
Worten kritisierte er unter anderem sogenannte Corona-Partys.

Söder mahnte, im Kampf gegen die Krise müsse man soziale Kontakte
ausdünnen und das öffentliche Leben herunterfahren. Nur dann könne
das Gesundheitssystem den nahenden Stresstest bestehen. «Hier geht es
um Leben und Tod.» Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze mahnte:
«Es ist Bürgerinnen- und Bürgerpflicht, daran mitzuwirken, die
Ausbreitung zu verlangsamen.» Sie appellierte: «Halten wir räumlichen

Abstand - und halten wir so zusammen.» Florian Streibl (Freie Wähler)
mahnte: «Das Überleben von uns allen hängt davon ab, dass wir
solidarisch sind und vernünftig sind.» Und FDP-Fraktionschef Martin
Hagen sagte: «Stehen wir zusammen - aber bitte nicht im Wortsinn.»

Die erste Ausgangssperre in Bayern gilt seit Mittwoch in der
oberpfälzischen Kleinstadt Mitterteich (Kreis Tirschenreuth). Und
seit Donnerstagmittag gibt es eine solche Ausgangssperre auch in zwei
Kommunen im Landkreis Wunsiedel in Oberfranken. Betroffen sind das
Stadtgebiet und der Ortsteil Neuhaus in Hohenberg an der Eger. Auch
für den Ortsteil Fischern, der zum Gemeindegebiet Schirnding gehört,
gilt das Verbot. Grund ist jeweils eine stark und schnell steigende
Zahl von Coronavirus-Infizierten. Söder betonte, Bayern wolle in
keiner Kommune eine Ausbreitungslage erleben wie etwa im Kreis
Heinsberg in Nordrhein-Westfalen oder im österreichischen Ischgl.

Bayernweit waren seit Wochenbeginn täglich neue Auflagen und
Beschränkungen des öffentlichen Lebens in Kraft getreten. Seit Montag
haben alle Schulen, Kindergärten und Kitas zu. Am Dienstag mussten
alle Freizeiteinrichtungen schließen, auch Sport- und Spielplätze
wurden gesperrt. Und seit Mittwoch müssen Ladengeschäfte geschlossen
bleiben. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel und eine Reihe
weiterer Geschäfte, die für die Grundversorgung wichtig sind. Seit
Mittwoch dürfen zudem nur noch Speiselokale und Betriebskantinen
öffnen, aber nur bis 15.00 Uhr. Alle Veranstaltungen sind verboten.

Sämtliche Fraktionen unterstützen diese massiven Einschränkungen des

öffentlichen Lebens. «Nach allem, was die Wissenschaft sagt, sind
diese Maßnahmen sinnvoll und notwendig», sagte etwa SPD-Fraktionschef
Horst Arnold. AfD-Fraktionschef Ingo Hahn sagte, man trage alles mit,
was der Allgemeinheit diene. Es gebe jetzt «die Notwendigkeit, mit
allen Mitteln für das Wohl der Gemeinschaft einzustehen». Thomas
Kreuzer (CSU) mahnte: «Die Starken müssen mehr denn je den Schwachen
helfen.» In diesen Zeiten müsse jeder Verantwortung übernehmen.

Auch Grünen-Fraktionschefin Schulze sagte, es sei klar, dass alles
unternommen werden müsse, um die Ausbreitung des Coronavirus zu
verlangsamen. Sie rief, wo immer möglich, zu Homeoffice auf. Schulze
mahnte aber auch, nach dem Ende der Krise müssten die aktuellen
Restriktionen schnellstens wieder beendet werden. «Alle Maßnahmen
werden zurückgenommen werden müssen, darauf werden wir achten.»

Auch ein neues bayerisches Infektionsschutzgesetz, das kommende Woche
im Landtag beschlossen werden soll, wird nach Absprache mit allen
Fraktionen bis Jahresende befristet. Bis dahin aber soll die
Staatsregierung deutlich umfassendere Befugnisse im Kampf gegen die
Krise bekommen: Sie kann dann einen «Gesundheitsnotstand» ausrufen.
Beschlagnahmungen von medizinischem Material und der Zugriff auf
medizinisches und pflegerisches Personal werden dann erleichtert.

Söder teilte im Landtag mit, dass Atemschutzmasken nun auch wieder in
Bayern produziert werden. «Wir haben jetzt die Eigenproduktion in
Bayern mit mittelständischen Unternehmen auf den Weg gebracht», sagte
er. Spätestens ab nächster Woche starte die Produktion im Freistaat.
Über den Bund würden am Freitag 800 000 Atemschutzmasken nach Bayern
geliefert. Darüber hinaus habe der Freistaat zur medizinischen
Versorgung 1000 neue Beatmungsgeräte gekauft und kaufe noch weitere.

Der Landtag tagt in der Corona-Krise nur in Schrumpf-Besetzung: An
den Plenarsitzungen nimmt nur ein Fünftel aller Abgeordneten teil, um
Abstände zu wahren und mögliche Ansteckungsrisiken zu minimieren.