Gladbacher Gehaltsverzicht - Kritik an IOC und Olympia wächst Von Wolfgang Müller, dpa

Die ersten Vereine und Funktionäre kündigen einen Gehaltsverzicht an,
die ersten Clubs aber auch Kurzarbeit. Heftig und teilweise
kontrovers debattiert wird das Thema Olympische Spiele. In der
Coronavirus-Krise ist auch der Rat von Juristen gefragt.

Berlin (dpa) - Fußball-Bundestrainer Joachim Löw, DFB-Direktor Oliver
Bierhoff, BVB-Chef Hans-Joachim Watzke oder die Profis von Borussia
Mönchengladbach: Im Zeichen der Coronavirus-Pandemie haben die ersten
Protagonisten im Profisport angekündigt, freiwillig auf Teile ihres
Gehalts zu verzichten. In der Diskussion um die Olympischen Spiele in
Tokio wird die Kritik von Athletinnen und Athleten immer lauter.

GLADBACHER GEHALTSVERZICHT

Als erster Fußball-Profiverein in Deutschland hat Borussia
Mönchengladbach angekündigt, dass die Spieler freiwillig auf Teile
ihres Gehalts verzichten. «Der Trainerstab hat sich dem
angeschlossen, genau wie unsere Direktoren und Geschäftsführer»,
sagte Sportchef Max Eberl am Donnerstag und betonte: «Ich bin sehr
stolz auf die Jungs. Wir stehen zusammen für Borussia, in guten wie
in schlechten Zeiten. Sie wollen etwas an Borussia zurückgeben und
damit auch an all die Fans, die uns unterstützen.» Nach Informationen
der «Rheinischen Post» soll der Club monatlich deutlich mehr als eine
Million Euro einsparen. Spieler und führende Angestellte wollen
angesichts der Coronakrise und der Spielpause in der Bundesliga
anderen Angestellten des Clubs Jobs und Einkommen sichern.

WENIGER GELD AUCH FÜR LÖW, BIERHOFF, WATZKE

Gegenüber DFB-Präsident Fritz Keller (62) haben Bundestrainer Joachim

Löw (60) und DFB-Direktor Oliver Bierhoff (51) ihre Bereitschaft
angedeutet, auf einen Teil ihres Gehaltes verzichten zu wollen.
Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, so hat es der
«Kicker» aus Dortmunder Vereinskreisen erfahren, hat eine Reduzierung
seines Gehalts von einem Drittel vorgeschlagen - so lange der Ball in
der Bundesliga nicht rollt. Anfang der Woche hatte Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Solidaritätsbeitrag der
Fußball-Profis ins Spiel gebracht.

OLYMPISCHES FEUER IST DA - ABER KOMMEN AUCH DIE SPIELE?

In einer Mini-Zeremonie vor leeren Rängen übergab das Griechische
Olympische Komitee (HOC) am Donnerstag das Olympische Feuer an die
Organisatoren der kommenden Spiele in Tokio. «Wir hoffen, dass das
Olympische Feuer das Virus auslöscht», sagte HOC-Präsident Spyros
Kapralos im Panathinaikon Stadion, dem Austragungsort der ersten
Spiele der Neuzeit 1896. Das Feuer wird nun in einer Sonderlampe per
Flugzeug nach Japan gebracht. «Am 24. Juli wird das Feuer in Tokio
entfacht», versicherte Yoshiro Mori, der Präsident des
Tokio-Organisationskomitees, in einer Video-Botschaft. Doch allen
Dauer-Beteuerungen der Organisatoren und des Internationalen
Olympischen Komitees zum Trotz wachsen Zweifel und Kritik täglich.

«Ich fordere nicht, die Olympischen Spiele abzusagen. Aber wir müssen
vor allem Menschlichkeit zeigen und können nicht einfach so weiter
machen», sagte die viermalige Olympiasiegerin Hayley Wickenheiser
(41), einst weltbeste Eishockeyspielerin und seit 2014 IOC-Mitglied,
dem «Spiegel». «Wir sollten zunächst als verantwortungsvolle
Weltbürger handeln, erst dann als Sportler oder IOC-Mitglieder.»

Sportrechtler Michael Lehner plädiert für eine zügige Absage. «Das

wäre ein Signal an die Welt», sagte der 65-Jährige dem «Mannheimer

Morgen». «Ich kann doch nicht hier selbst die kleinen Fußballspiele
absagen, über Ausgangssperren nachdenken, die Schulen und Unis
schließen und dann meinen, ich könnte im Juli Big Games machen.»

KURZARBEIT AUCH IN VEREINEN

Handball-Bundesligist SC Magdeburg wird aufgrund der
Coronavirus-Pandemie auch für seine Spieler staatliche Hilfe
beantragen. Profis und Mitarbeiter sollen Kurzarbeitergeld bekommen,
sagte Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt in der «Magdeburger
Volksstimme». So sollen die durch die Saison-Unterbrechung
erwartbaren finanziellen Probleme abgefedert werden. «Und da wir wie
jede andere GmbH auch unsere Sozialabgaben und Steuern bezahlen
müssen, ist es völlig legitim, dass wir diese Hilfen jetzt auch in
Anspruch nehmen», sagte Schmedt. Auch die Zweitliga-Handballer des
HSV Hamburg denken über die Einführung von Kurzarbeit nach.

JURISTISCHE SCHWIERIGKEITEN

Beim Thema Gehaltseinsparungen sind die Clubs jedoch auf den Goodwill
der Spieler angewiesen. «Einseitige Gehaltskürzungen sind nicht
möglich», sagte Arbeitsrechtler Lennard Martin Lürwer im Interview
der Deutschen Presse-Agentur. Auch Gehaltsstundungen oder die
Durchsetzung von Kurzarbeit gehen nur über eine «individuelle
Vereinbarung mit dem Spieler.» Interessant ist der juristische Fall,
sollten Clubs über das Infektionsschutzgesetz Erstattungsansprüche
gegenüber den Behörden geltend machen, wenn sich Spieler in
Quarantäne befinden. «Für mich scheint es schwer vorstellbar, dass
die Behörden für sechs Wochen das volle Gehalt eines Profifußballers

zahlen, das - auf das Jahr gesehen - im hohen Millionenbereich liegt.
Rein formal betrachtet, müsste es aber so sein», sagte Lürwer.