Länderchefs drohen mit Ausgangssperren - Milliarden für Wirtschaft Von Theresa Münch, dpa

Die Kanzlerin nahm das Wort in ihrer Fernsehansprache nicht in den
Mund, die ersten Ministerpräsidenten tun es: Womöglich muss es auch
hierzulande größere Ausgangsverbote geben. Auch die Wirtschaft
bereitet sich auf harte Einschnitte vor.

Berlin (dpa) - Nach dem eindringlichen Appell von Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) zu mehr Disziplin drohen in der Coronakrise nun
Ausgangssperren in mehreren Bundesländern. Seit Donnerstag dürfen die
Menschen im bayerischen Mitterteich bereits nur noch in
Ausnahmefällen auf die Straßen, weitere Maßnahmen sind angekündigt.

Auch die Wirtschaft rüstet sich für noch schlechtere Zeiten - mit
Milliardenprogrammen für Unternehmen. Bessere Nachrichten gibt es
unterdessen aus dem Ursprungsland der Pandemie, aus China: Die
Infektionszahlen gehen zurück.

AUSGANGSSPERREN

In Wuhan, in Italien, Frankreich und Spanien sind solche Verbote
schon längst in Kraft - während in Deutschland noch immer Menschen in
Grüppchen in Parks sitzen. Mehrere Ministerpräsidenten betonten, so
könne es nicht weitergehen. Bayerns Landeschef Markus Söder (CSU)
drohte mit einer Ausgangssperre für das ganze Bundesland. «Wenn sich
viele Menschen nicht freiwillig beschränken, dann bleibt am Ende nur
die bayernweite Ausgangssperre als einziges Instrumentarium, um
darauf zu reagieren», sagte er. Für den Landkreis Wunsiedel sind
solche Maßnahmen bereits angekündigt.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann stellte
ebenfalls schärfere Vorgaben in Aussicht. Wenn die Bürger ihr
Verhalten nicht grundlegend umstellten, werde ein Ausgangsverbot wohl
kommen. Auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU)
hält eine «schnelle und harte Ausgangssperre» sogar in ganz
Deutschland für möglicherweise unvermeidlich. «Wir müssen Strenge
zeigen zum Schutz der gesamten Bevölkerung, insbesondere zum Schutz
unserer Alten und Kranken», sagte er der Funke-Mediengruppe. Berlins
Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) machte deutlich, dass
über ein solches Verbot schnell entschieden werden könnte.

OPTIMISMUS IN CHINA

Erstmals seit Ausbruch des Virus im Januar meldete China landesweit
keine lokalen Neuinfektionen mehr. Es wurden zwar 34 neue
Corona-Fälle registriert, die Infizierten kamen aber aus dem Ausland
zurück in die Volksrepublik. Für sie gelten nun strenge
Quarantäne-Richtlinien. Die importierten Fälle schüren zugleich die
Angst vor einer möglichen zweiten Ausbreitungswelle. Trotz der
verhältnismäßig geringen Zahl der Neuinfektionen beklagt China
täglich weiter neue Todesfälle. Am Donnerstag stieg die Zahl der
Todesopfer um acht auf 3245. Insgesamt wurden auf den chinesischen
Festland 80 928 Infizierte registriert, von denen sich mehr als
66 000 wieder erholt haben.

DIE INTERNATIONALEN GRENZEN

Immer mehr Staaten machen ihre Grenzen dicht, nur Warenverkehr ist
noch erlaubt. Am Donnerstag ordneten die Niederlande ein faktisches
Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger an. Australien und Neuseeland
schlossen die Grenzen. Ausgenommen von den Einreiseverboten sind
lediglich die eigenen Bürger, Menschen mit dauerhaftem Wohnsitz in
ihren Ländern sowie deren enge Familienmitglieder.

Österreich verschärfte die Regeln für die eigenen Bewohner und
schottete das stark betroffene Bundesland Tirol komplett ab. Für alle
279 Gemeinden gelten seit Mitternacht Quarantäneverordnungen: Man
darf die Orte nur zum Einkaufen, für Arztbesuche oder zur Arbeit
verlassen - und dann nur zum nächstgelegenen Ort. «Sofern es einen
Arzt, eine Apotheke, einen Lebensmittelhandel und eine Bank im Ort
gibt, darf die Gemeinde für diese Zwecke nicht verlassen werden»,
erklärte Tirols Landeschef Günther Platter.

MILLIARDENPROGRAMME FÜR DIE WIRTSCHAFT

Die Bundesregierung will Solo-Selbstständige und Kleinstfirmen mit
einem 40-Milliarden-Hilfspaket unterstützen, da sie von vielen
anderen Maßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld weniger profitieren.
Geplant sind direkte Zuschüsse und Darlehen. Es geht etwa um Musiker,
Fotografen, Künstler, Heilpraktiker, Dolmetscher oder Pfleger, deren
Geschäfte schließen mussten, Messen, Veranstaltungen und Konzerte
abgesagt wurden. Berichten zufolge will Finanzminister Olaf Scholz
(SPD) den Fonds in Form eines Sondervermögens organisieren, das
selbstständig Kredite aufnehmen dürfte.

Auch Europas Währungshüter legten im Kampf gegen die wirtschaftlichen
Folgen der Coronakrise nach: Die Europäische Zentralbank (EZB)
kündigte ein Notkaufprogramm für Anleihen an. 750 Milliarden Euro
will die Notenbank in Staats- und Unternehmenspapiere stecken. Das
hilft, weil Anbieter von Wertpapieren nicht so hohe Zinsen bieten
müssen, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt.
Der Dax, bei dem sich zuvor eine erneute Talfahrt andeutete,
stabilisierte sich nach der Ankündigung der EZB, drehte danach aber
wieder ins Minus.

«LUFTBRÜCKE» FÜR TOURISTEN

Im beliebten Urlaubsregionen läuft weiter die größte Rückholaktion

für Touristen in der Geschichte der Bundesrepublik. Nachdem am
Mittwoch 1500 Urlauber aus Tunesien, Ägypten, Marokko und
Aserbaidschan mit Sondermaschinen nach Deutschland geflogen wurden,
sollten am Donnerstag zusätzlich von den Philippinen und der
Dominikanischen Republik Maschinen mit deutschen Touristen starten.
Zahlreiche Länder haben wegen der rasanten Ausbreitung des Virus
Grenzen dicht gemacht und Flugverbindungen gekappt.

NACHSCHUB AN SCHUTZMASKEN

Der staatlich organisierte Nachschub an Schutzausrüstung für Praxen
und Krankenhäuser kommt in Gang. Das Gesundheitsministerium gab zehn
Millionen dringend benötigte Atemschutzmasken zur weiteren Verteilung
an die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Bundesländer. Daneben
gingen medizinische Hilfsgüter aus Deutschland an den besonders stark
von der Corona-Epidemie betroffenen EU-Partner Italien. Masken, aber
auch Schutzanzüge für medizinisches Personal sind derzeit weltweit
knapp. Die neuen Lieferungen an Schutzmasken sollen unter anderem an
Praxen, Bereitschaftsdienste und Stellen für Testabstriche verteilt
werden. Noch sei die Lage bei der Ausrüstung teils kritisch.

KITAS LÄNGER GESCHLOSSEN

Einige Eltern müssen sich darauf einstellen, ihre Kinder womöglich
länger zu Hause zu betreuen als ursprünglich angekündigt. Hamburg
weitete die Schließzeit der Kitas am Donnerstag bis zum 19. April
aus. In vielen anderen Bundesländern waren von vornherein
Schließungen bis nach den Osterferien, meist bis Mitte April geplant,
in Hamburg zunächst nur bis zum 29. März.