Israel: Parlamentsschließung während Corona entfacht Proteste

Jerusalem (dpa) - Israels Parlamentspräsident hat mit der
vorübergehenden Schließung der Knesset (Parlament) inmitten der
Coronakrise scharfe Proteste ausgelöst. Das israelische
Demokratie-Institut forderte am Donnerstag die Einberufung des
Parlaments «ohne Verzögerung» - «sollten Sie das nicht tun,
überschreiten Sie offenkundig die Grenzen Ihres Amtes», hieß es in
einer Mitteilung. Dies würde «eine inakzeptable Missachtung der
Grundregeln der Demokratie darstellen». Auch Präsident Reuven Rivlin
sowie Oppositionspolitiker hatten Kritik geübt.

Parlamentspräsident Juli Edelstein hatte nach Medienberichten am
Mittwoch die Parlamentssitzung wegen eines Streits um die Besetzung
mehrerer Komitees vorzeitig beendet. Die Knesset solle am Montag
erneut tagen.

Israel wird seit mehr als einem Jahr von einer Übergangsregierung
unter dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu
verwaltet. Am 2. März hatten die Bürger bereits zum dritten Mal
innerhalb eines Jahres ein neues Parlament gewählt. Doch die
Pattsituation zwischen dem rechts-religiösen Block um Netanjahu und
dem Mitte-Links-Lager um seinen Herausforderer Benny Gantz hält
weiter an. Am Montag erhielt Gantz den Auftrag zur Regierungsbildung,
am gleichen Tag nahm das Parlament offiziell seine Arbeit nach der
Wahl auf. Allerdings wurden bisher keine Parlamentskomitees
eingerichtet.

Benny Gantz von Mitte-Bündnis Blau-Weiß warf am Mittwoch Edelstein
vor, auf Anweisung seines Parteifreundes Netanjahu die Bildung der
Komitees zu verhindern. Bereits zuvor hatte Blau-Weiß kritisiert,
Israel werde in dieser Krisenzeit von einer Übergangsregierung ohne
parlamentarische und rechtliche Kontrolle regiert.

Der Justizminister hatte aufgrund der Coronakrise zuvor den Notstand
ausgerufen und Gerichte weitgehend geschlossen. Der führende
Blau-Weiß-Politiker Jair Lapid sagte in einem Video an die
Bevölkerung: «Ihr lebt nicht länger in einer Demokratie.»

Hunderte Demonstranten wollten am Donnerstag laut Medienberichten aus
Protest in einer Wagenkolonne mit schwarzen Flaggen zur Knesset
fahren. Sie seien dabei allerdings von den Behörden gestoppt worden.