Kliniken wappnen sich für Coronavirus-Welle und fordern Schutzschirm

Die Kliniken im Land bereiten sich auf eine Welle an schwer
Erkrankten vor - und fordern einen umfassenden Schutzschirm.

Stuttgart (dpa/lsw) - Wegen der Coronavirus-Krise sind etliche
Kliniken im Südwesten nach Einschätzung der Baden-Württembergischen
Krankenhausgesellschaft in ihrer Existenz bedroht. Es brauche einen
sofortigen finanziellen Schutzschirm für alle Krankenhäuser, sagte
Hauptgeschäftsführer Matthias Einwag der Deutschen Presse-Agentur in
Stuttgart. «Wenn der nicht kommt, werden wir Insolvenzen sehen.» Die
Kliniken hätten derzeit viele Kosten zu tragen, weil sie Kapazitäten
ausbauten, Personal aufstockten, Ausrüstung anschafften. Gleichzeitig
fielen in bedeutendem Umfang Erlöse für die Krankenhäuser weg, weil
planbaren Eingriffe und Behandlungen aufgeschoben werden.

Die Krankenhäuser müssten den Kopf frei haben von finanziellen
Sorgen, um sich auf die steigenden Patientenzahlen und eine Welle von
Infektionen und schwer Erkrankten vorzubereiten, sagte Einwag. Es
gehe um eine schnelle Sicherung der Liquidität spätestens ab April.
Sonst würden selbst finanziell gut dastehende Häuser binnen vier bis
sechs Wochen Liquiditätsprobleme bekommen. Auch Rehakliniken und
Pflegeheime müssten unter den finanziellen Schutzschirm.

Die Kliniken im Land bereiten sich derzeit auf eine Verschärfung der
Lage und die Behandlung vieler schwer erkrankter Patienten mit dem
Coronavirus vor. 3200 Intensivbetten gibt es nach Angaben der
Krankenhausgesellschaft in Baden-Württemberg. 80 Prozent seien
belegt, sagte Einwag. Er schätzt, dass man die Hälfte freimachen
könnte. Vor Ort stocke man bereits Intensiv- und Beatmungskapazitäten
auf.

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DGK) fordert einen
umfassenden finanziellen Schutzschirm für alle Krankenhäuser, damit
Kliniken in der Corona-Krise nicht pleitegehen. Bund und Länder
hatten am Dienstag angesichts steigender Zahlen an Corona-Infizierten
einen Notfallplan zur Ausweitung der stationären
Krankenhausversorgung entworfen. Demnach sollen die Länder Pläne
erarbeiten, um zunächst eine Verdopplung der Intensivbetten über den
Aufbau provisorischer Kapazitäten zu erreichen. Zur Entlastung können
zugleich in Reha-Einrichtungen, Hotels oder größeren Hallen
Kapazitäten für leichtere Behandlungsverläufe aufgebaut werden.

Man bereite sich professionell und konzentriert vor, blicke aber auch
mit Sorge auf die kommenden Tage und Wochen, sagte Einwag. «Dadurch,
dass sich das Virus so schnell verbreitet, kommen wir schnell in eine
Größenordnung, die das Versorgungssystem unter Stress setzt», sagte
er. Es mangele nicht nur an Geräten und baulichen Bedingungen,
sondern vor allem an Personal. Einwag forderte etwa, die
Dokumentationspflichten für das Klinikpersonal angesichts der Krise
auszusetzen. Er geht eher von einer Belastung von Monaten als von
Wochen für die Krankenhäuser aus. «Es dauert einfach, bis 70 Prozent

der Bevölkerung infiziert sind.»

In Deutschland könnten sich nach Einschätzung des Robert
Koch-Instituts (RKI) in einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren 60 bis
70 Prozent der Bevölkerung mit dem neuen Coronavirus infizieren. Das
entspricht bei gut 83 Millionen Einwohnern etwa 50 bis 58 Millionen
Menschen. Diese Schätzung beruhe auf Modellrechnungen, erläuterte
RKI-Präsident Lothar Wieler. Bei der Modellrechnung seien die
Experten davon ausgegangen, dass es gegen den Erreger derzeit weder
eine Immunität noch Therapien noch einen Impfstoff gebe.

Er glaube aber nicht, dass es nötig werde, Hotels und größere Hallen

in Baden-Württemberg für leichtere Behandlungen anzumieten, weil man
im Land über eine sehr gute Struktur an Rehakliniken verfüge. Es
reiche ja nicht ein Hotel anzumieten, man brauche auch das Personal
dafür. Baden-Württemberg sei ein «Rehaland» mit knapp 200
Rehakliniken und mehr als 25 000 Betten darin. Man könne auf gute
Strukturen zurückgreifen.