Schadenersatz nach Silikonskandal? - Bundesgerichtshof entscheidet

Der Silikon-Skandal um Brustimplantate betrifft viele Frauen. Beim
französischen Hersteller ist kein Schadenersatz mehr zu holen. Können
sich aber Krankenkassen die Kosten für nötige Operationen vom TÜV
Rheinland erstatten lassen? Für den BGH ein schwieriger Fall.

Karlsruhe (dpa) - Der Bundesgerichtshof (BGH) will an diesem
Donnerstag (11.00 Uhr) seine Entscheidung im Streit um Schadenersatz
im Skandal um minderwertige Brustimplantate aus Industrie-Silikon
verkünden. Es handelt sich um einen schwierigen Fall, wie der
Vorsitzende Richter des VII. Zivilsenats, Rüdiger Pamp, bei der
Verhandlung im vergangenen September gesagt hatte. Der
Revisionsprozess zwischen der AOK Bayern und dem TÜV Rheinland
umfasst die Fälle von 26 Frauen. Die AOK hatte die Operationskosten
erstattet und will das Geld nun vom TÜV Rheinland zurück.

Die Frauen hatten reißanfällige Brustimplantate des französischen
Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) austauschen lassen. PIP hatte
bis 2010 jahrelang Implantate mit für diese Zwecke nicht zugelassenem
Industriesilikon verkauft. Das Unternehmen meldete 2011 Insolvenz an
und wurde liquidiert. Der TÜV Rheinland hatte Qualitätssicherung und
Dokumentation des Unternehmens geprüft, damit PIP das CE-Kennzeichen
anbringen konnte, das Voraussetzung für den Einsatz von
Medizinprodukten in Deutschland ist. Bei der Klage geht es um mehr
als 50 000 Euro. In den Vorinstanzen hatte die AOK Bayern keinen
Erfolg.

Im Juni 2017 hatte der BGH-Senat bereits entschieden, dass einer
betroffenen Frau aus Ludwigshafen kein Schadenersatz vom TÜV
Rheinland zusteht. Die Prüfer hätten bei der Überwachung von PIP
keine Pflichten verletzt. Zuvor hatte sich der Europäische
Gerichtshof (EuGH) mit dem Fall befasst.

Juristisch entscheidend könnte die Frage sein, ob in dem Fall ein
Vertrag mit Bindungswirkung zugunsten Dritter vorliegt und ob der TÜV
mit seiner Zertifizierung eine Garantenstellung einnimmt. Nicht nur
bei dieser Frage ließen die Richter bei der Verhandlung offen, in
welche Richtung sie tendieren. Pamp nutzte wiederholt Formulierungen
wie «darüber kann man streiten» oder «das ist fraglich».

Der Anwalt der AOK hatte in der Verhandlung auf eine Richtlinie der
Europäischen Union verwiesen, deren Ziel der Schutz vor Schäden durch
Medizinprodukte sei. Seiner Auffassung nach entfaltet der Vertrag
zwischen dem TÜV Rheinland und PIP eine Schutzwirkung gegenüber den
Empfängerinnen der Produkte.

Die Anwältin des TÜV Rheinland sah das anders. Der TÜV habe das
CE-Siegel nicht verliehen, sondern nur bestätigt, dass
Qualitätssicherung und Dokumentation dazu geeignet seien,
ordnungsgemäße Produkte zu produzieren. Das CE-Siegel sei eine eigene
Erklärung des Herstellers. Der TÜV Rheinland habe keine
Zwangsmöglichkeiten und könne nicht durchgreifen. (Az. VII ZR 151/18)