Viele Ärzte an Covid-19 erkrankt - Wirtschaft immer stärker betroffen

In China steigt die Zahl erfasster Infektionen mit Sars-CoV-2 stetig.
Die Dunkelziffer dürfte beträchtlich sein. Und viele Experten rechnen
mit schlimmeren wirtschaftlichen Folgen als bei Sars 2002/2003. Die
beiden Infizierten aus der Uniklinik Frankfurt wurden entlassen.

Peking/Phnom Penh (dpa) - Ein Ende der Covid-19-Epidemie ist weiter
nicht absehbar. Die Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus in
China stiegen mit einer neuen Zählweise am Freitag wieder stark.
Landesweit sind derzeit in der offiziellen Statistik knapp 64 000
Infektionen mit Sars-CoV-2 erfasst, knapp 1400 Menschen starben
demnach. Die Dunkelziffer liegt Experten zufolge aber deutlich höher.
Der chinesische Staatssender CCTV berichtete, dass sich im Kampf
gegen die Lungenkrankheit Covid-19 mehr als 1700 medizinische Helfer
wie Ärzte und Krankenhauspersonal angesteckt haben. Mindestens sechs
Helfer starben demnach.

Die Rückreise von zig Millionen Chinesen, die nach den wegen Covid-19
verlängerten Ferien wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, läss
t
neue Infektionswellen befürchten. «Wir sind momentan nicht in der
Lage, die Dynamik des Ausbruchs zu prognostizieren», sagte der
Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, am
Donnerstag in Berlin. Daten deuten demnach darauf hin, dass Covid-19
in China ähnlich verläuft wie eine schwere Grippewelle. Der
Berliner Virologe Christian Drosten erklärte, dass sich der Erreger
Sars-CoV-2 wie das Influenzavirus im Rachen vermehre, was es
ansteckender mache als anfangs vermutet.

Ziel in Deutschland ist es laut RKI, eine Erkrankungswelle
hinauszuzögern. Möglichst vermieden werden soll demnach, dass eine
Covid-19- und die derzeitige Grippewelle zusammenfallen. Drosten wies
allerdings auf begrenzte Möglichkeiten der Eindämmung hin:
«Irgendwann wird es wahrscheinlich dazu kommen, dass unbemerkte
Infektionen plötzlich bemerkt werden.» Die derzeit aus China
bekannten Zahlen seien mit Vorsicht zu genießen, betonten die
Experten. «Es sind Trends», so Wieler.

Aufatmen konnten die Menschen auf dem Kreuzfahrtschiff «Westerdam»:
Nach tagelanger Irrfahrt durch asiatische Gewässer konnten die ersten
von knapp 2300 Gästen und Crewmitgliedern am Freitag in Kambodscha
das Schiff verlassen. Die erste Gruppe der Deutschen an Bord sollte
am Abend Richtung Frankfurt reisen. In Thailand sollte noch am
Freitag die «Aidavita» im Hafen von Laem Chabang ankommen. Das
Kreuzfahrtschiff mit rund 1100 Passagieren zumeist aus Deutschland
hatte nicht in Vietnam anlegen dürfen.

Aida Cruises teilte mit, die Asienfahrten der «Aidavita» und
«Aidabella» wegen der Epidemie und zunehmender Reiseeinschränkungen
für diese Saison einzustellen. Regulär hätte das Programm bis April
gedauert, für jedes Schiff seien bis dahin noch vier Reisen geplant
gewesen. «Die Schiffe werden in andere Fahrtgebiete überführt.»

Weder auf der «Westerdam» noch auf der «Aidavita» waren Infektionen

mit dem Covid-19-Virus bekannt. Asiatische Länder zögern aber nach
dem Nachweis von inzwischen mehr als 200 Infektionen auf der vor
Yokohama in Quarantäne liegenden «Diamond Princess»,
Kreuzfahrtschiffe überhaupt noch in ihre Häfen einlaufen zu lassen.

In China war die Zahl erfasster Infektionen am Donnerstag um etwa
15 000 gestiegen, weil sich die Zählweise in der besonders
betroffenen Provinz Hubei verändert hatte. Die Vorgabe ist dort nun,
auch klinische Diagnosen von Covid-19 zu erfassen, nicht mehr nur
über Labortests bestätigte.

Außerhalb von Festland-China sind in mehr als zwei Dutzend Ländern
rund 580 Fälle bestätigt. Auch hier gehen viele Experten von vielen
nicht erfassten Infektionen aus. In Deutschland wurden bisher 16
Infektionen festgestellt - 14 Patienten wurden in Bayern behandelt,
zwei in Frankfurt. Nachdem am Donnerstag bereits einer der
bayerischen Patienten entlassen wurde, konnten am Freitag auch die
beiden Frankfurter Patienten nach Hause. «Sie sind symptomfrei und
nachweislich nicht ansteckend», teilte ein Sprecher des Uniklinikums
mit. Es bestehe keine Gefährdung für sie oder ihre Umgebung.

Die beiden Patienten waren am 1. Februar zusammen mit 124 anderen
Menschen aus Wuhan ausgeflogen und in eine Kaserne in Germersheim zur
Quarantäne gebracht worden. Nachdem dort die Infektion mit SARS-CoV-2
nachgewiesen worden war, wurden die beiden Patienten in die Uniklinik
Frankfurt gebracht.

Bei den China-Rückkehrern in der Quarantäne in Germersheim liegen
voraussichtlich am Sonntag Ergebnisse der letzten Tests vor. Sofern
diese keine Auffälligkeiten aufweisen, wird die Quarantäne am
Sonntagmittag aufgehoben, wie das rheinland-pfälzische
Gesundheitsministerium mitteilte.

Eine Befürchtung in vielen Ländern ist, dass vor allem unwissentlich
mit dem Virus infizierte Menschen etwa bei der Fahrt mit öffentlichen
Verkehrsmitteln andere anstecken könnten. In London hatte sich
kürzlich eine Frau entgegen den Anweisungen direkt in einer
Notaufnahme vorgestellt, wie das Krankenhaus im Stadtteil Lewisham
mitteilte. Bei ihr wurde das Virus nachgewiesen. Angereist war sie
mit einem Uber-Taxi. Ein weiterer Betroffener soll an einer Konferenz
in London teilgenommen haben. Rund 200 Teilnehmer des Treffens wurden
aufgefordert, ihre Wohnungen nicht zu verlassen, sollten sie Symptome
wie Fieber oder Husten entwickeln.

In China wurde bei einem Mitglied der Reinigungskräfte in einem
Hochgeschwindigkeitszug eine Infektion festgestellt, was
Befürchtungen über Ansteckungen auslöste. Zur Registrierung solcher
Vorkommnisse fährt das Land inzwischen seine ganze
Überwachungstechnologie auf. So sollen Bürger mit einer Handy-App
feststellen können, ob sie in engem Kontakt mit jemandem waren, der
mit dem Virus infiziert ist oder als Verdachtsfall gilt. Wie die
amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, lässt sich damit sogar
feststellen, ob man in einem Flugzeug in derselben Reihe mit einem
Infizierten oder drei Reihen davor oder dahinter gesessen hat.

In Japan war am Donnerstag erstmals ein mit Sars-CoV-2 infizierter
Mensch gestorben: eine Frau in ihren 80ern in der Provinz Kanagawa
nahe Tokio. Zudem wurde ein Arzt in der 400 Kilometer entfernten
Präfektur Wakayama positiv auf das Virus getestet. Das Krankenhaus
Saiseikai Arida, in dem er arbeite, nehme vorerst keine Patienten
mehr auf, hieß es.

Immer stärkere Auswirkungen hat Covid-19 auf die Wirtschaft.
Fluggesellschaften müssen sich auf Umsatzeinbußen in Milliardenhöhe
einrichten. Die Internationale Zivilluftfahrtbehörde ICAO geht in
einer ersten Schätzung von 4 bis 5 Milliarden Dollar (3,7 bis 4,6 Mrd
Euro) für das erste Quartal aus.

In Singapur sagte Premier Lee Hsien Loong, dass die wirtschaftlichen
Folgen von Covid-19 wahrscheinlich die der Sars-Epidemie von
2002/2003 übertreffen werden. Die Interimschefin des französischen
Autobauers Renault, Clotilde Delbos, warnte ebenfalls vor Risiken.
Der Konzern habe ein Krisenmanagement eingesetzt. Aus der besonders
betroffenen Provinz Hubei in Zentralchina kommen viele Autoteile.