Diskussion um Tätowierfarben: Wird's der EU zu bunt? Von Marie Reichenbach und Steffen Trumpf, dpa

Werden Tattoos bald weniger bunt? Zwei Farbpigmente, die als
Grundstoffe vieler Farben dienen, könnten in der EU bald verboten
werden. Gegen die Forderung der Europäischen Chemikalienagentur
formiert sich Widerstand.

Brüssel/Helsinki (dpa) - Bei der Frage nach Sinn und Ästhetik von
Tätowierungen gehen die Meinungen weit auseinander. Während die einen
nicht verstehen können, warum man Tinte oder Farbstoffe als
Körperkunst unter der Haut verewigt, ist der Gang zum Tätowierer für

andere fast so normal wie ein Friseurbesuch.

Dabei sind Tattoos schon längst nicht mehr nur Kennzeichen bestimmter
Gruppen. Der Fantasie scheinen bei Motiv und Gestaltung des
Körperschmucks fast keine Grenzen gesetzt. Was die Auswahl der
Farbmotive angeht, könnte es zumindest innerhalb der EU mit der
großen Freiheit aber bald vorbei sein. Die Europäische
Chemikalienagentur ECHA mit Sitz in Helsinki hat empfohlen, mehr als
4000 bedenkliche Substanzen bei Tattoo-Farben und permanentem Make-up
zu beschränken. Darunter auch die Farbpigmente Blue 15 und Green 7,
die in zwei Dritteln aller Tätowierfarben enthalten sind.

Die Tattoo-Szene schlägt schon jetzt Alarm: «Sollte es zu einem
Verbot kommen, werden über 60 Prozent der Farbmotive zumindest
offiziell nicht mehr möglich sein», sagt Tätowierer Jörn Elsenbruch

aus Nordrhein-Westfalen. Aus seiner Sicht ist das Verbot unsinnig.
Dass die Farbpigmente gesundheitsschädlich sind, sei wissenschaftlich
nicht bewiesen. «In 25 Jahren habe ich nicht ein schwerwiegendes
Problem mit den Pigmenten erlebt», so Elsenbruch.

Die bedenklichen Substanzen sind laut einer entsprechenden
EU-Regulierung bereits in Kosmetika tabu. Die ECHA-Position ist klar:
Was nicht auf der Haut verwendet werden darf, dürfe auch nicht unter
der Haut verwendet werden. Im konkreten Fall von Blue 15 und Green 7
geht es der Behörde um zwei Dinge: Zum einen hängen die Bedenken mit

dem Blasenkrebsrisiko der Stoffe zusammen, zum anderen ist ein
Ausschuss der ECHA zu der Einschätzung gekommen, dass die
Informationen über die Pigmente unzureichend seien, um einen sicheren
Gebrauch zu garantieren.

Argumente, die aus Sicht vieler Tätowierer kein Verbot rechtfertigen.
Bis Sonntag läuft eine von Elsenbruch initiierte Online-Petition
unter dem Titel #tattoofarbenretten. Mehr als 143 000 Unterstützende,
darunter nach Angaben der Initiative auch einige prominente
Fußballer, hat er bereits überzeugt.

Das bedeutet, dass der Petitionsausschuss des Bundestags in einem
ersten Schritt über die Forderungen der Unterzeichner öffentlich
beraten wird. «Wir fordern von Bundesregierung und Bundestag, ein
EU-Verbot abzuwenden», sagt Elsenbruch. Außerdem fordert die
Initiative die Politik auf, mit der Tattoo-Szene in den Dialog zu
treten. «Wir wollen nichts Gefährliches in Tätowierfarben», betont

der 53-Jährige. «Sollten Untersuchungen bestätigen, dass die besagten

Pigmente gesundheitsschädlich sind, können wir über ein Verbot
sprechen.»

Die Pigmente einfach so zu verbieten, würde die in den letzten Jahren
mühevoll aufgebauten Gesundheitsstandards zerstören, befürchtet
Elsenbruch. «Wegen eines Verbots wird die Szene nicht auf die
Pigmente Green 7 und Blue 15 verzichten.» Tätowierer würden sich die

Farben aus dem Ausland besorgen oder der Schwarzmarkt würde die Lücke
mit Farben füllen, die nicht gelabelt sind. «Dann sind wir in Sachen
Regulierung wieder auf dem Stand von vor 25 Jahren», ist sich der
Tätowierer sicher.

Der ECHA geht es laut eigenen Angaben vor allem um das Wohl der
Bürgerinnen und Bürger. «Weder die Kommission noch die ECHA schlägt

vor, Tätowierungen oder Tattoo-Farben zu verbieten oder auch nur
blaue und grüne Farben in Tattoos zu verbieten», teilte ein
ECHA-Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. «Unser
Ziel ist es, das Tätowieren sicherer für den Verbraucher zu machen.»


Dieses Ziel verfolgt auch die Bundesregierung. Der gesundheitliche
Verbraucherschutz auf wissenschaftlicher Basis sei ihr zentrales
Anliegen, heißt es aus dem zuständigen Bundesministerium für
Ernährung und Landwirtschaft. «Die Bundesregierung wird sich in
diesem Sinne bei den Beratungen in den zuständigen Gremien in Brüssel
einsetzen.»

Im April wollen die EU-Staaten über ein Verbot beraten. Kurzfristig
muss die Tattoo-Szene auf Green 7 und Blue 15 aber keinesfalls
verzichten. Bevor das Verbot greift, soll es eine mehrjährige
Übergangsfrist geben, um Alternativen für die beiden Pigmente zu
finden. Die wird es laut Elsenbruch aber nicht geben, «danach wurde
bereits zehn Jahre ohne Erfolg geforscht». Die geplante
Übergangsphase ist für den Tätowierer ohnehin ein Widerspruch, der
die Unsinnigkeit des Verbots verdeutlicht: «Wenn doch etwas
gefährlich sein soll, darf man sich doch keine zwei Jahre Zeit
nehmen, um nach Alternativen zu suchen.»