Start der Landarztquote - Medizinstudium auch ohne Einser-Abi Von Fabian Albrecht, dpa

Sachsen-Anhalt braucht dringend neue Mediziner, ganz besonders auf
dem Land. Doch Arzt werden kann man bislang nur mit herausragendem
Abitur. Sachsen-Anhalt bietet nun einen Sonderweg, um beide Probleme
anzugehen.

Magdeburg (dpa/sa) - Etwa 300 Hausarzt-Stellen sind in Sachsen-Anhalt
schon heute unbesetzt, fast doppelt so viele könnten es laut
Kassenärzten in einem guten Jahrzehnt sein. Junge Mediziner, die
einen der begehrten Studienplätze bekommen, gehen nach der Ausbildung
eher in die Städte als in die Dörfer. Um mehr junge Ärzte aufs Land
zu locken, bietet das Land einen Deal an: 20 Studienplätze sind für
angehende Landärzte reserviert - die im Gegenzug das klassische
Auswahlverfahren umgehen, bei dem es vor allem auf die Abinote
ankommt, und auch durch medizinische Erfahrung punkten können.

Kriterien und Auswahlverfahren für die sogenannte Landarztquote
stellten am Donnerstag Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD)
und der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung,
Burkhard John, vor. Für die Studierenden geht mit dem Platz die
Verpflichtung einher, nach Studium und Facharztausbildung mindestens
zehn Jahre in einer ländlichen Gegend mit schlechter Versorgung an
Hausärzten zu praktizieren.

Interessierte können sich bis zum 31. März über ein Onlineportal
bewerben. Dabei spielt neben der Abinote auch die bereits gesammelte
Berufserfahrung im medizinischen Bereich eine Rolle. Die Bewerber
werden dann zu einem Studienfähigkeitstest eingeladen, der besonders
auf die Eignung als Landarzt abzielt.

Am Ende werden die Bewerber nach einem Punktesystem bewertet: 50
Prozent der Punkte werden nach dem Test verteilt und 40 Prozent nach
der Berufserfahrung. Nur 10 Prozent macht dann die Abinote aus, die
in herkömmlichen Bewerbungsverfahren für ein Medizinstudium mit 70
bis 80 Prozent zu Buche schlägt. Die 20 Bewerber mit den meisten
Punkten starten dann im Oktober ins Studium.

Grimm-Benne sagte am Donnerstag, sie sei überzeugt, dass es unter den
vielen Pflegekräften, Notfallsanitätern und Hebammen ein erhebliches
Potenzial für diese Plätze gebe «und dass man auch ohne Einser-Abitur

ein empathischer, fachlich guter Landarzt werden kann».

Mit der starken Gewichtung der Berufserfahrung entspreche das Land
auch einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem März 2019.
Die Karlsruher Richter hatten geurteilt, dass die hohe Bedeutung der
Abinote bei der Vergabe der Medizin-Studienplätze teilweise
verfassungswidrig ist.

Die Quote sei sicher «kein Allheilmittel», sagte die Ministerin. Sie
sei ein Versuch, den absehbaren Mangel an Landärzten einzugrenzen.
John sprach von einem wesentlichen Baustein im Kampf gegen den
Ärztemangel auf dem Land. Gerade in einem Land mit so alter
Bevölkerung wie Sachsen-Anhalt seien Hausärzte wichtig für die
ambulante Versorgung. Auch die Ärztekammer in Sachsen-Anhalt warnte
vor dem Medizinermangel. Die Ausbildung von Nachwuchs reiche nicht,
sagte Kammerpräsidentin Simone Heinemann-Meerz: «Die zukünftigen
Mediziner müssen auch an das Land gebunden werden.»

Die Landarztquote wird derzeit in vielen Ländern diskutiert. Am
Mittwoch verabschiedete der saarländische Landtag ein entsprechendes
Gesetz, in Rheinland-Pfalz und Bayern startet das Projekt wie in
Sachsen-Anhalt im kommenden Wintersemester. Als erstes Land hatte
Nordrhein-Westfalen die Quote eingeführt, dort starteten die ersten
Landarzt-Studenten schon im laufenden Wintersemester.