SPD will zwölf Tage Bildungsurlaub für alle

Das ganze Arbeitsleben im selben Job, das ist heute längst nicht mehr
selbstverständlich. Die SPD will, dass sich Arbeitnehmer besser auf
Veränderungen vorbereiten - während der Arbeitszeit.

Berlin (dpa) - Arbeitnehmer sollen nach dem Willen der SPD-Spitze
bundesweit einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung im Berufsalltag
bekommen. «Passend zu dreieinhalb Jahren Berufsausbildung sollte man
in einem Berufsleben noch einmal insgesamt dreieinhalb Jahre
Weiterbildung vorsehen», sagte Parteichefin Saskia Esken der
Deutschen Presse-Agentur. Das seien etwa zwölf Arbeitstage im Jahr -
oder eine halbe Stunde am Tag. Unterschiedliche Modelle seien
denkbar, die zur Arbeits- und Lebensrealität der Menschen passen
müssten.

In mehreren Bundesländern gibt es bereits einen Anspruch auf fünf
Tage Bildungsurlaub im Jahr. «Ich denke, dass wir mehr ermöglichen
sollten, und ich finde, dass dieser Rechtsanspruch überall in
Deutschland gelten sollte», sagte Esken. Es müsse möglich sein, sich

auch im Beruf ständig weiterzuentwickeln - um eigene Ziele zu
verfolgen, aber auch um mit dem gesellschaftlichen und
technologischen Wandel Schritt zu halten. Bei einer solchen
Weiterbildung müsse es deshalb nicht unbedingt um die aktuelle
Tätigkeit gehen. «Sie kann auch Kompetenzen betreffen, die
gesellschaftliches Leben oder neue Möglichkeiten am Arbeitsmarkt
eröffnen.»

Die SPD will bei einer Vorstandsklausur am Sonntag und Montag Ideen
zur Zukunft der Arbeitswelt diskutieren. Dazu ist unter anderem
Verdi-Chef Frank Werneke zu Gast. Jede Arbeit in Vollzeit müsse ohne
staatliche Unterstützung zum Leben reichen, betonte Esken.

Zur besseren Absicherung von Selbstständigen plädiert die SPD-Spitze
für Modelle ähnlich der Künstlersozialkasse. «Ich bin der Auffassun
g,
dass wir solche Einrichtungen auch für andere Freiberufler brauchen,
denn die Erwerbsarbeit verändert sich auch hin zu mehr
Selbstständigkeit», sagte Esken. «Diese freien Tätigkeiten müssen
wir
sozial absichern.» Die Künstlersozialkasse ermöglicht freischaffenden

Künstlern und Publizisten einen Zugang zur gesetzlichen Kranken-,
Pflege- und Rentenversicherung.

Die SPD-Spitze kritisierte auch, dass die arbeitende Mittelschicht in
Deutschland mehr und mehr gegen diejenigen aufgebracht werde, die
Hilfe des Sozialstaats bräuchten. «Und zwar mit der Absicht, den
höchsten Einkommensschichten zu weiteren Vorteilen zu verhelfen»,
sagte Parteichef Norbert Walter-Borjans. «Die SPD muss die arbeitende
Mitte und die Menschen, die den Sozialstaat als Stütze oder zum
Aufstocken ihres Gehalts brauchen, miteinander verbinden», forderte
er.

Das funktioniere über einen höheren Mindestlohn für die unteren
Einkommensbereiche und zugleich eine steuerliche Entlastung der
Mitte. Unter anderem plädiert die SPD dafür, die Abschaffung des
Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Zahler auf diesen Sommer
vorzuziehen. Auch Entlastungen bei der Einkommenssteuer seien denkbar
- diese müssten aber gegenfinanziert werden, etwa indem
Steuerschlupflöcher geschlossen und hohe Einkommen und Vermögen
stärker beteiligt würden.