Wie das neue Coronavirus in Deutschland Fuß fasste

München (dpa) - Deutsche Forscher haben die ersten Infektionen mit
dem neuen Coronavirus in Bayern und damit bundesweit rekonstruiert.
Dabei verweist das Team um Camilla Rothe vom Uniklinikum München im
«New England Journal of Medicine» («NEJM») auf zwei Besonderheiten:

Zum einen habe die chinesische Mitarbeiterin, die den Ausbruch
verursachte, zu jener Zeit allenfalls unspezifische Symptome
verspürt. Zum anderen bestehe die Möglichkeit, dass Menschen auch
nach ihrer Genesung noch infektiös sein könnten.

Quelle des Erregers war - wie bekannt - eine Frau aus Schanghai, die
den Automobilzulieferer Webasto in Bayern vom 19. bis 22. Januar
besuchte und an Firmentreffen teilnahm. Eine spätere Befragung ergab,
dass sie sich am 20. Januar ein wenig warm fühlte, aber nicht
fiebrig. Um am nächsten Tag fit zu sein, habe sie eine Tablette
genommen. Am 21. war sie demnach nachmittags müde und hatte auf Druck
leichte Muskelschmerzen. Am Tag ihres Abflugs fröstelte sie etwas in
ihrer leichten Geschäftskleidung, bis sie einen Schal anzog.

Erst am Abend des 23. Januars fühlte sie sich wirklich krank, und
hatte eine Temperatur von etwa 38 Grad, die bis zum Abend des
Folgetags auf 38,7 Grad stieg. Nach Angaben der Autoren wurde sie am
26. Januar positiv auf den Erreger getestet. Am 27. informierte sie
das Unternehmen über ihre Erkrankung, worauf ihre Kontakte überprüft

wurden - auch in Bayern.

Unterdessen hatte der erste deutsche Patient, ein 33-jähriger
Webasto-Mitarbeiter, dem Bericht zufolge am 24. Januar Halsschmerzen,
Frösteln und Muskelschmerzen bemerkt. Einen Tag später folgten Husten
und 39,1 Grad Fieber. Am Abend des 26. Januars fühlte er sich besser
und kehrte am 27. zur Arbeit zurück, bevor der Erreger bei ihm
nachgewiesen wurde.

Am 28. Januar wurden drei weitere Mitarbeiter der Firma positiv
getestet - aber nur einer von ihnen hatte der Studie zufolge Kontakt
zu der Chinesin gehabt. Die anderen beiden Angestellten hätten sich
bei dem 33-Jährigen infiziert, schreibt das Team, zu dem neben
Münchner Medizinern auch der Coronavirus-Experte Christian Drosten
von der Berliner Charité zählt. Zudem sei bei dem 33-Jährigen Erbgut

der Coronaviren nachgewiesen worden, als dieser sich schon wieder
gesund fühlte.

«Die Tatsache, dass Personen ohne Symptome mögliche Quellen der
2019-nCoV-Infektion waren, kann eine Neueinschätzung der
Übertragungsdynamik des derzeitigen Ausbruchs rechtfertigen»,
schreibt das Team. «In diesem Zusammenhang bereitet der Nachweis von
2019-nCoV und eine hohe Virenlast im Sputum bei einem genesenen
Patienten Sorge über eine Verbreitung von 2019-nCoV nach der
Besserung.»

Die Funktionsfähigkeit der nachgewiesenen Viren müsse jedoch noch im
Labor gezeigt werden, betont das Team. Die Forscher berichten, dass
die vier in der Studie beschriebenen deutschen Patienten lediglich
eine leichte Symptomatik hatten. Sie seien nur aus Sorge um die
öffentliche Gesundheit in Krankenhäusern behandelt worden. Insgesamt
waren in Deutschland bis Freitag 13 Fälle nachgewiesen: Elf davon in
Bayern hängen mit dem beschriebenen Ausbruch zusammen. Zwei weitere
Menschen, die aus China zurückgeholt wurden, werden in Frankfurt/Main
behandelt.