Brustimplantate: EU-Gutachter macht keine Hoffnung auf Entschädigung Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Es begann mit einer Handvoll Silikon. Doch der Skandal um fehlerhafte
französische Brustimplantate beschäftigt Tausende Frauen noch immer.
Wer haftet? Wer zahlt? Auch im x-ten juristischen Durchlauf ist kein
Schmerzensgeld in Sicht.

Luxemburg (dpa) - Es ist ein zähes, ein mühsames, ein langwieriges
juristisches Ringen. Zehn Jahre nach Aufdeckung des Betrugs mit
fehlerhaften Brustimplantaten aus Frankreich versuchen auch deutsche
Frauen immer noch, Schadenersatz oder Schmerzensgeld zu erstreiten.
Darunter ist eine Patientin, die in Frankfurt am Main gegen die
französische Haftpflichtversicherung des Herstellers klagt. Am
Donnerstag erhielt sie einen Dämpfer: Der zuständige Gutachter am
Europäischen Gerichtshof (EuGH) macht ihr keine Hoffnung.

2010 war aufgeflogen, dass der französische Hersteller Poly Implant
Prothèse SA, kurz PIP, jahrelang für Brustimplantate billiges und
nicht dafür zugelassenes Industriesilikon statt teuren
Medizinsilikons verwendet hatte. Weltweit sollen 400 000 Frauen
betroffen sein, die sich Implantate nach Krebserkrankungen oder zur
Brustvergrößerung hatten einsetzen lassen. In Deutschland waren es
etwa 5000.

Die Klägerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hatte die
fehlerhaften PIP-Silikonkissen 2006 bekommen. Als das Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte 2012 wegen Gesundheitsrisiken
die Entfernung der Kissen empfahl, folgte sie dem Rat. Jahre später
streitet sie weiter mit der französischen Haftpflichtversicherung des
Herstellers um Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Der Versicherer will nicht zahlen und beruft sich auf eine
Gebietsklausel im Vertrag mit dem Hersteller, die den Schutz auf in
Frankreich entstandene Schäden beschränkt. Die Frankfurter Richter
wollen von den EU-Kollegen in Luxemburg wissen, ob dies mit dem
EU-Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit
vereinbar ist.

Ja, sagt der zuständige Generalanwalt Michal Bobek in seinem
Gutachten (Rechtssache C-581/18). Es gebe im heutigen EU-Recht keine
Harmonisierung der Versicherungspflichten für Medizinprodukte, die in
einem anderen EU-Staat verwendet würden. Es sei vielmehr Sache der
Mitgliedstaaten, die Versicherung für diese Fälle zu regeln - hier
also die Aufgabe Deutschlands. Frankreich habe das Recht, im eigenen
Hoheitsgebiet ein höheres Schutzniveau für Patientinnen einzuführen.


Das EuGH-Gutachten ist kein Urteil, mit einem solchen ist erst in
einigen Wochen oder Monaten zu rechnen. Doch häufig folgen die
EU-Richter ihren Generalanwälten. Es wäre nicht die erste Schlappe
für die klagenden Frauen. Die obersten EU-Richter hatten schon 2017
im PIP-Skandal ein Urteil zu fällen. Damals ging es um mögliche
Ansprüche gegen den TÜV Rheinland, der die Qualitätssicherung des
Herstellers zertifiziert hatte. Dabei hatte der Prüfverein nach
eigenen Angaben nie Hinweise darauf gefunden, dass Industriesilikon
verwendet wurde.

Der EuGH überließ die Entscheidung über Entschädigungen damals den

deutschen Gerichten. Und der Bundesgerichtshof entschied wenig
später, der TÜV Rheinland habe keine Pflichten verletzt. Ansprüche
der Frauen gegen den Verein hatten damit praktisch keine Chance mehr.

In Frankreich sah die Lage zeitweise anders aus. Dort erstritten
Klägerinnen ebenfalls 2017 ein Urteil gegen den TÜV, der rund 60
Millionen Euro zahlen sollte. Der Fall ging aber weiter durch die
Instanzen, bis das Oberste Gericht des Landes im Oktober 2018
entschied: Der Fall muss neu aufgerollt werden.

Die Firma PIP ist längst pleite. Firmengründer Jean-Claude Mas wurde
2016 zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt, die er wegen
rechtlicher Einsprüche nicht antrat. Im April 2019 starb Mas im Alter
von 79 Jahren.