Schwabinger Arzt: «Corona auf keinen Fall gefährlicher als Influenza»

Menschen hamstern Mundschutz und Desinfektionsmittel. Allerlei
Gerüchte über das neue Coronavirus sorgen für Verunsicherung. Ärzte

nehmen die Sache ernst - sehen aber hierzulande nur sehr
überschaubare Gefahren.

München (dpa/lby) - Die Ansteckungsgefahr und die Sterblichkeit sind
beim Coronavirus nach Experteneinschätzung etwa gleich hoch wie bei
der Influenza. «Corona ist auf keinen Fall gefährlicher als
Influenza», sagte der Chefarzt Clemens Wendtner von der Klinik für
Infektiologie in der München Klinik Schwabing. Dort werden weiter
sieben der zwölf Infizierten in Deutschland behandelt.

Die Sterblichkeit werde zwar in China mit zwei bis drei Prozent
angegeben, sagte Wendtner. Aber: «Das halten wir für überschätzt. W
ir
gehen davon aus, dass die Sterblichkeit deutlich unter einem Prozent
liegt, eher sogar im Promillebereich.» Das sei eine ähnliche Größe

wie bei der Influenza. «Mit einer sehr, sehr gefährlichen Erkrankung
hat das nicht viel zu tun.»

Die Überbewertung bei dem Coronavirus rühre daher, dass in China
wegen der Kapazitätsengpässe nur die schweren Fälle in Krankenhäuse
r
aufgenommen würden; die Dunkelziffer sei hoch.

Grundsätzlich sei das Coronavirus ähnlich ansteckend wie das
Influenzavirus - aber deutlich weniger infektiös als die Masern.
Abstand halten und regelmäßiges Händewaschen reduziere das Risiko
erheblich. Niemand müsse im Alltag Mundschutz tragen. «Das bringt gar
nichts», sagte der Mediziner auch mit Blick auf die extrem niedrige
Zahl von Infizierten in Deutschland. Die Wahrscheinlichkeit, sich
hierzulande mit Corona zu infizieren, sei anders als bei der Grippe,
die alljährlich mehrere Hunderttausend Menschen trifft, sehr gering.

Wendtner geht allerdings wie seine Kollegen von der Charité in Berlin
und dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr davon aus, dass
Corona-Patienten auch bei sehr schwachen Symptomen ansteckend sein
können. Bei einigen von ihnen seien ansteckende Viren in größerer
Zahl auch dann im Nasen-Rachen-Raum nachweisbar gewesen. Ob auch eine
Ansteckungsgefahr über Stuhl bestehe, werde derzeit untersucht.

Die Corona-Symptome seien leicht mit der Influenza oder auch einer
Erkältung zu verwechseln: Anfangs könne die Nase laufen, der Patient
leide unter Halsweh, später auch Husten und eventuell Fieber. «Nicht
jeder, der hustet, ist verdächtig auf eine Corona-Infektion», betonte
Wendtner. Bei unkomplizierten Fällen geht der Arzt davon aus, dass
die Erkrankung ungefähr zehn Tage bis zwei Wochen dauere. Anders sei
es, wenn Komplikationen einträten, etwa eine zusätzliche bakterielle
Infektion - oft als Lungenentzündung - aufgrund der Schwächung des
Organismus oder eine übersteigerte Immunreaktion, die ebenfalls in
einer Lungenentzündung münden könne.

Er gehe nicht davon aus, dass sich das Virus in Deutschland und
Europa ähnlich epidemieartig ausbreiten werde wie in China, sagte
Wendtner. «Wir haben ein sehr gutes Gesundheitssystem, um die Dinge
früh einzudämmen. Wenn wir weiter an einem Strang ziehen, werden wir
das in Deutschland im Griff behalten.»

Unklar sei aber, ob sich das Virus wie die Influenza weltweit halten
könne oder wieder ganz verschwinde. «Die Frage ist: Wird es das
Coronavirus schaffen, sich ähnlich wie die Influenza zu etablieren,
so dass wir jedes Jahr eine Coronawelle bekommen. Ziel der weltweiten
Maßnahmen - auch in Deutschland - ist es, das Virus im Idealfall ganz
auszuschalten.»

Nicht zuletzt deshalb werde vor allem in den USA an einem Impfstoff
gearbeitet, der in einigen Monaten vorliegen könnte. «Es gibt erste
Spekulationen, dass es im Mai oder Juni soweit sein könnte. Aber wir
hoffen natürlich alle, dass bis dahin die Dinge auch für China
ausgestanden sind.»