Leben in der «roten Zone»: Eine Kaserne als Corona-Quarantänestation Von Wolfgang Jung und Frank Rumpenhorst , dpa

Wenige Stunden nach der Ankunft von rund 100 Deutschen und ihren
Angehörigen in einer Kaserne in Rheinland-Pfalz wird bei zwei
China-Rückkehrern das Corona-Virus nachgewiesen. Die Behörden sehen
sich in ihrer Entscheidung zur zentralen Unterbringung bestätigt.

Germersheim/Frankfurt (dpa) - Die schlechte Nachricht aus Frankfurt
erreicht den Quarantäne-Block 4 der Südpfalz-Kaserne in Germersheim
am frühen Morgen. Während sich viele der 115 Rückkehrer aus China
noch von den Strapazen der langen Reise erholen, isoliert das
Deutsche Rote Kreuz zwei von ihnen. Die beiden Erwachsenen waren nach
ihrer Ankunft mit einer Bundeswehrmaschine am Vortag in Frankfurt
positiv auf das Corona-Virus getestet worden, das Ergebnis kam am
Sonntag. «Gefasst» hätten sie auf den Befund reagiert, sagt ein
Sprecher der Luftwaffe. Ein Spezialkrankenwagen bringt sie in das
Uniklinikum Frankfurt.

Es sei richtig gewesen, dass man sich für eine zentrale Unterbringung
der Rückkehrer entschieden habe, sagt Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) am Sonntag als Reaktion auf die Nachricht. Die Menschen
würden in der Kaserne gut versorgt und medizinisch begleitet. 11 der
insgesamt 126 aus China zurückgekehrten Passagiere waren sofort vom
Flughafen Frankfurt aus in die Uniklinik der Stadt gekommen. Darunter
waren ein Verdachtsfall, der sich nicht bestätigt hat, und zehn
weitere Menschen. Es sei einigen einfach nicht gut gegangen, es sei
eine sehr lange Reise gewesen, sagte Spahn, ohne konkrete Gründe zu
nennen. Von den 11 Passagieren wurden bereits am Sonntag sieben in
die Kaserne in Germersheim gebracht.

Erst Samstagnacht waren die 115 anderen Rückkehrer nach ihrer Reise
über Helsinki und Frankfurt in Germersheim angekommen. Mit Mundschutz
und in Bussen mit der Aufschrift «Sonderfahrt» passierten die
Menschen aus der besonders von der neuen Lungenkrankheit betroffenen
Stadt Wuhan die bewachten Tore der Südpfalz-Kaserne. Der Stützpunkt
eines Luftwaffenausbildungsbataillons rund 100 Kilometer von
Frankfurt entfernt gilt bei den Behörden als ideal für eine solche
Quarantäne. Der Militärkomplex am Rande der Stadt mit rund 20 000
Einwohnern verfügt unter anderem über ein neues Gebäude mit
geeigneten Räumen.

Tatsächlich glänzt der Quarantäne-Block vor Frische. «Das Gebäude

wurde erst 2018 fertiggestellt», sagt Hauptmann Josef Vollmer vor dem
Haus mit der aufgemalten Zahl 4. Der Bau war bisher unbewohnt. Jetzt
ist ein kleiner Raum mit Etagenbett und ein Badezimmer mit
Handtuchwärmer für zunächst zwei Wochen das «Zuhause» der Rückk
ehrer.
Den Zimmern mit Internet, Kühlschrank und Flachbildfernseher ist der
neue Zustand anzusehen. Das Verlassen des Gebäudes ist möglich, in
einigem Abstand grenzt aber ein Zaun mit Sichtschutz das Areal ein.

Im Haus sollen sich die Rückkehrer mit Mundschutz bewegen und vor und
nach Verlassen der Gemeinschaftsräume die Hände desinfizieren. Die
Betreuerinnen und Betreuer tragen besondere Schutzmasken.

Dutzende Menschen auf begrenztem Raum: «Die größte Gefahr ist der
Lagerkoller», hatte Michael Sieland vom Deutschen Roten Kreuz (DRK)
vor der Ankunft der Rückkehrer gesagt. Die Organisation ist vor Ort
zuständig, auch für den Kontakt im Quarantäne-Block. «Die Betreuung

in der roten Zone übernehmen 27 Freiwillige des DRK», sagte Sieland.
«Wir wollen die Menschen beschäftigen, die wohl froh und erleichtert
über die Rückkehr sind.» Für die etwa zwei Dutzend Kinder liege
Spielzeug bereit. Die rote Zone bezeichnet den Quarantäne-Block und
das eingezäunte Areal unmittelbar um dieses Gebäude. Sie ist
abgesperrt und bleibt den Rückkehrern und den Betreuern vorbehalten.

Den Behörden ist anzumerken, dass sie diese schwierige Lage für die
Rückkehrer so angenehm wie eben möglich gestalten wollen. In der
Kaserne würden die Menschen, «die einiges durchgemacht haben», eine
gute und angemessene Betreuung erhalten, ist die rheinland-pfälzische
Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) sicher.

Die Menschen in der Kaserne sollen mehrmals erneut auf das Virus
2019-nCoV untersucht werden. Mindestens zwei Wochen sollen sie in
Germersheim bleiben. Bis zu 14 Tage dauert die Inkubationszeit - die
Frist von der möglichen Ansteckung bis zum Krankheitsausbruch.

Wird in dieser Zeit eine Infektion entdeckt, müssen nicht alle
Rückkehrer automatisch länger bleiben. «Die Menschen werden in vier
Gruppen eingeteilt. Wenn Merkmale einer Erkrankung auftauchen, muss
nur die betroffene Gruppe bleiben - drei Gruppen können aber
heimgehen», hatte Landrat Fritz Brechtel (CDU) angekündigt.

Und wie sehen die Bewohner der südpfälzischen Stadt die Quarantäne?
Sprach man mit Menschen in den vergangenen Tagen, also vor
Bekanntwerden der beiden Fälle, zeigten sich viele eher gelassen.
Allerdings berichtete die Tageszeitung «Die Rheinpfalz» auch, dass in
den örtlichen Apotheken die Verkaufszahlen für Mundschutz und
Desinfektionsmittel in die Höhe geschnellt seien.

«Wir minimieren mit der Quarantäne das Risiko - es ist eine reine
Vorsichtsmaßnahme», sagte der südpfälzische Bundestagsabgeordnete
Thomas Gebhart am Samstag. Der CDU-Politiker ist Parlamentarischer
Staatssekretär beim Bundesgesundheitsministerium. «Experten sagen:
Das Virus ist nicht so aggressiv wie befürchtet. Die Gefahr für die
deutsche Bevölkerung bleibt gering», meinte Gebhart.

DRK-Mann Sieland zufolge steht auch eine fahrbare Arztpraxis bereit.
«Wir haben einen Arzt mit Ebola-Erfahrung - und wir haben unsere 27
ehrenamtlichen Mitarbeiter, die freiwillig mit in Quarantäne gehen.»
Einer von ihnen ist Oliver Talke. Dem 52-Jährigen aus dem Westerwald
fiel die Entscheidung nach eigenen Angaben leicht. «Für solche
Einsätze tragen wir das DRK-Zeichen auf dem Ärmel», sagt Talke an
diesem grauen Februar-Tag.

Die Nachricht von den beiden Infizierten nur wenige Stunden nach dem
Eintreffen der Rückkehrer sei zwar unerwartet, räumt das
rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium ein. Aber alle Maßnahmen
seien genau auf diese Situation ausgerichtet. Auf dem Areal ändere
sich deshalb grundsätzlich nichts.

Die Kosten für die Quarantäne übernimmt laut Staatssekretär Gebhart

der Bund. Auch die überwiegenden Kosten des Flugs der Maschine A310
«Kurt Schumacher» wird die Bundesregierung tragen. Die Passagiere
müssen sich aber beteiligen, vermutlich müssen sie den Preis eines
normalen Economy-Tickets von China nach Frankfurt bezahlen. «Wir sind
sehr zufrieden», sagt Oberst Johannes Stamm von der Flugbereitschaft.
Aus seiner Sicht gelte: «Mission accomplished» (Mission erfüllt).