Immer mehr Staaten holen Landsleute aus China wegen Coronavirus

Das neuartige Virus scheint so rasch nicht zu stoppen. Immer mehr
Ausländer verlassen China, oft in gezielten Rückholaktionen ihrer
Regierungen. Auch Deutschland plant eine Aktion.

Peking (dpa) - Wegen der neuen Lungenkrankheit in China wollen immer
mehr Länder ihre Staatsangehörigen aus den besonders betroffenen
Regionen zurückholen. «Wir arbeiten an einer Möglichkeit für
britische Staatsangehörige, die Hubei-Provinz zu verlassen», hieß es

am Montag von der britischen Regierung. Belgien bot Landsleuten in
Wuhan und der Provinz Hubei die Rückkehr an, auch die Niederlande,
Dänemark und weitere Länder prüften Möglichkeiten, Staatsbürger
auszufliegen. Andere Länder wie Japan, Frankreich und die USA haben
solche Rückholaktionen bereits in die Wege geleitet.

Auch die Bundesregierung erwägt, ausreisewillige Deutsche aus China
auszufliegen. Eine mögliche Evakuierung werde in Betracht gezogen,
sagte Außenminister Heiko Maas (SPD). Nach «Spiegel»-Informationen
soll die Luftwaffe am Mittwoch oder Donnerstag nach China fliegen und
rund 90 deutsche Staatsbürger ausfliegen, die sich beim Auswärtigen
Amt gemeldet haben. Dem «Spiegel» zufolge besteht Peking in den
Gesprächen mit der Bundesregierung aber darauf, dass Zivilmaschinen
und keine Militärflugzeuge den Einsatz übernehmen.

In der Metropole Wuhan in Zentralchina, dem Ausgangsort der Epidemie,
leben etwa 90 Deutsche, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes
sagte. Hinweise darauf, dass sich einer von ihnen mit dem neuartigen
Virus angesteckt hat, gibt es demnach bisher nicht.

Auch in Deutschland gibt es bisher keinen Nachweis, es wurden in den
vergangenen Tagen aber einige Verdachtsfälle etwa in Hessen, Bayern
und Nordrhein-Westfalen überprüft. In der Frankfurter Uni-Klinik
seien mehrere Patienten untersucht worden, teilte eine Sprecherin der
Klinik am Montag mit. «Bei keinem dieser Patienten konnte bisher das
neue Coronavirus nachgewiesen werden.»

Einige Bundesländer haben ergänzende Sicherheitsvorkehrungen
getroffen. Der öffentliche Gesundheitsdienst sei in besondere
Bereitschaft versetzt worden, am Frankfurter Flughafen bekämen
Reisende nach China und aus den betroffenen Regionen Infoblätter,
teilte etwa Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) mit. An den
Flughäfen in Berlin und Brandenburg werden Reisende mit Plakaten über
das richtige Verhalten bei Krankheitssymptomen informiert. Bei einem
Verdacht während eines Fluges oder am Flughafen würden betroffene
Personen sofort isoliert und zu einem Krankenhaus transportiert.

Pandemie- und Umgangspläne sorgten für Klarheit, was im Fall der
Fälle an den Flughäfen und an den Kliniken zu tun sei, erklärte
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). «Grundsätzlich sind wir
wachsam, wir nehmen die Dinge sehr ernst, wir sind aber auch gut
vorbereitet.»

Chinas Regierung hatte Ende vergangener Woche den Verkauf von
Pauschalreisen ins Ausland und innerhalb Chinas untersagt.
Touristiker befürchten nun schlechtere Geschäfte auch für deutsche
Reiseziele. Man beobachte die aktuelle Situation mit Sorge, teilte
etwa die Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg am Montag mit.
Noch seien die Auswirkungen des Verbots auf beliebte Reiseziele wie
Heidelberg nicht im Detail abzusehen.

Nach jüngsten Daten von 2018 wurden etwa drei Millionen
Übernachtungen chinesischer Reisender in Hotels, Pensionen und
anderen Unterkünften zwischen Rügen und Garmisch-Partenkirchen
gezählt. «Das hohe Ausgabeverhalten der Chinesen mit einem Umsatz von
sechs Milliarden Euro 2018 spiegelt die wirtschaftliche Bedeutung für
den Einzelhandel und die Tourismus- und Freizeitindustrie im
Reiseland Deutschland wider», sagte Petra Hedorfer, Vorsitzende des
Vorstandes der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT).

Das Schweizer Hotelgewerbe rechnet mit einem Einbruch der Gästezahlen
aus China von 30 bis 50 Prozent, wie ein Sprecher von Hotellerie
Schweiz sagte.

Das chinesische Staatsfernsehen berichtete am Montag unter Berufung
auf Behördenangaben, dass die Zahl bestätigter Infektionen im
Vergleich zum Vortag um mehr als 700 auf 2744 gestiegen ist, die Zahl
der Toten um 24 auf 80, weiterhin meist ältere Menschen mit schweren
Vorerkrankungen. Damit hat sich die Zahl der bekannten Erkrankungen
seit vergangenem Montag, als rund 220 Fälle bestätigt waren, mehr als
verzehnfacht. Mit den rund 50 Fällen außerhalb Chinas sind inzwischen
fast 2800 Fälle weltweit bestätigt. In Europa sind bisher drei
Infektionen mit dem neuartigen Virus nachgewiesen, alle drei betrafen
Menschen in Frankreich, die zuvor in China waren.

Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) traf am
Montag in Peking ein, um sich persönlich über die Situation zu
informieren. Tedros Adhanom Ghebreyesus werde Regierungsvertreter und
andere Experten treffen, die mit dem Krisenmanagement befasst sind,
hieß es vom WHO-Büro in Peking. Außenminister Maas riet unterdessen
von Reisen nach China ab. «Reisende sollten überlegen, nicht
zwingende Reisen nach China zu verschieben oder zu unterlassen.»

Auch das US-Außenministerium rät von Reisen nach China ab. Bereits
geplante Reisen sollten erneut auf den Prüfstand gestellt werden,
erklärte das Ministerium am Montag. Für die Provinz Hubei und die
Stadt Wuhan warnte das Ministerium ausdrücklich vor jeglichen Reisen.

Die Befürchtung, das neuartige Coronavirus könnte sich ausbreiten und
die chinesische Wirtschaft schwächen, ließ am Montag die Preise für
Heizöl und Benzin stark fallen.

In den USA gab es bis zum Montag fünf bestätigte Infektionen, Kanada
meldete einen ersten «vorläufig bestätigten» Fall. Zudem gibt es
Dutzende Nachweise in Ländern wie Thailand, Japan, Südkorea, Vietnam,
Singapur und Malaysia. Zu den neu betroffenen Ländern zählt
Kambodscha.

Das neue Virus stammt ursprünglich vermutlich von einem Markt in
Wuhan, wo es wohl von dort gehandelten Wildtieren auf den Menschen
übersprang. China hat im Kampf gegen eine weitere Ausbreitung
drastische Maßnahmen ergriffen: In der Provinz Hubei wurden mehr als
45 Millionen Menschen weitgehend von der Außenwelt abgeschottet.
Fern- und Nahverkehr wurden gestoppt.