Mord an Jenaer Rentnerin - Wie alt ist der Angeklagte wirklich? 

Bis zum 21. Geburtstag sind Angeklagte in Justitias Augen
Heranwachsende und können nach Jugendstrafrecht verurteilt werden.
Daher ist das genaue Alter vor Gericht wichtig. Beim Angeklagten im
Geraer Mordprozess ist dieses jedoch unklar.

Gera (dpa/th) - Im Prozess um den Mord an einer Seniorin in Jena ist
die Frage nach dem genauen Alter des Angeklagten in den Fokus
gerückt. Seine Untersuchungen am 14. Januar hätten ein «absolutes
Mindestalter» von 21,6 Jahren ergeben, erklärte der Experte für
Altersdiagnostik, Daniel Wittschieber, am Montag am Landgericht Gera.
Demnach könnte der Afghane, der sein Alter Anfang des Jahres vor
Gericht mit «fast 22» angegeben hatte, zum Zeitpunkt der Gewalttat
noch Heranwachsender gewesen sein. Dann müsste der Fall wohl vor
einer Jugendkammer verhandelt werden.

Mit dem 18. Geburtstag gilt ein Mensch in Deutschland als volljährig
und darf zum Beispiel an Bundestagswahlen teilnehmen, ohne Begleitung
Auto fahren und allein Verträge abschließen. Das Strafrecht drückt
aber bis unter 21 Jahre meist noch ein Auge zu. Bis dahin ist von
Heranwachsenden die Rede, die bei Reifeverzögerungen noch nach
Jugendstrafrecht verurteilt werden.

Im Fall der vor gut einem Jahr getöteten Rentnerin war das Gericht
bisher davon ausgegangen, dass der Angeklagte 24 Jahre alt ist. Das
angegebene Geburtsdatum sei möglich und mit seinen Ergebnissen
vereinbar, konstatierte Wittschieber, der Oberarzt am Institut für
Rechtsmedizin des Jenaer Universitätsklinikums ist. Seinen Angaben
nach kann die Diagnostik nur ein Mindestalter ermitteln, das
tatsächliche Alter liege «mit hoher Wahrscheinlichkeit» darüber.

Die Feststellung des Mindestalters stützt sich unter anderem auf eine
Befragung samt körperlicher Untersuchung, um Erkrankungen
auszuschließen, die die Entwicklung verzögern könnten. Außerdem
werden die linke Hand und das Gebiss geröntgt sowie das Schlüsselbein
im Computertomografen untersucht. Aus dem Grad der Verknöcherung
ziehen die Experten Rückschlüsse aufs Alter.

Für den seit Oktober dauernden Mordprozess hat die 1. Strafkammer des
Landgerichts weitere Verhandlungstage bis Ende März anberaumt. Dem
Angeklagten wird vorgeworfen, seine Nachbarin aus Habgier getötet zu
haben. Ihre Leiche war voriges Jahr am 12. Januar in einem Rollkoffer
im Keller des Wohnhauses in Jena-Winzerla entdeckt worden. Laut
Rechtsmedizin ist die Rentnerin infolge stumpfer Gewalt gegen den
Hals erstickt. Der Angeklagte hat in seiner Aussage vor Gericht
jedoch bestritten, die 87-Jährige getötet zu haben.