Coronavirus erreicht Europa - 1300 Fälle und 41 Tote in China

Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Coronavirus auch in Europa
auftaucht. Frankreich meldet drei Fälle mit der Lungenkrankheit. In
China steigt die Zahl der Infizierten und Toten weiter stark an.

Peking/Paris (dpa) - Die neue Lungenkrankheit hat sich in China stark
ausgebreitet und inzwischen auch Europa erreicht. In Frankreich
wurden am Freitagabend drei Fälle nachgewiesen. Die Patienten sind in
Krankenhäusern in Quarantäne. In China stieg die Zahl der Infizierten
an einem Tag um über 400 auf mehr als 1300. Außer Tibet sind alle
Regionen des Landes betroffen. Die Zahl der Toten kletterte am
Samstag von 26 auf 41. Um eine Ausbreitung des neuartigen Coronavirus
zu verhindern, hat China drastische Maßnahmen ergriffen. Mehr als 40
Millionen Menschen in gut einem Dutzend Städten im Herzen des Landes
wurden weitgehend von der Außenwelt abgeschottet, indem der Verkehr
gestoppt wurde.

Als erstes Land in Europa meldete Frankreich drei Patienten mit dem
neuen Virus. Wie das französische Gesundheitsministerium mitteilte,
wurden zwei Fälle in Paris diagnostiziert, ein weiterer in Bordeaux.
Alle Patienten hätten sich zuvor in China aufgehalten. Jeder, der in
engem Kontakt mit den drei Infizierten stand, werde jetzt überprüft.
Die Regierung werde alles unternehmen, um eine Ausbreitung des
Erregers einzudämmen, sagte Gesundheitsministerin Agnès Buzyn. «Wir
müssen eine Epidemie behandeln wie einen Flächenbrand.» In Bordeaux
wurden die Feiern zum chinesischen Neujahr am Sonntag abgesagt.

Für die EU-Präventionsbehörde ECDC kamen die Fälle nicht unerwartet
.
«Zu diesem Zeitpunkt ist es wahrscheinlich, dass es mehr importierte
Fälle in Europa geben wird», teilte die Behörde mit. Auch wenn viele

Details zum Virus noch unbekannt seien, hätten die europäischen
Länder die Kapazitäten, um einen Ausbruch direkt nach der Entdeckung
von Fällen zu verhindern.

Bestätigte Infektionen wurden auch aus den USA, Japan, Südkorea,
Thailand, Vietnam, Singapur, Taiwan und Australien gemeldet. In
Großbritannien wollten Gesundheitsexperten etwa 2000 Fluggäste aus
China aufspüren, die in den vergangenen zwei Wochen ins Vereinigte
Königreich geflogen sind. Mediziner hielten es für wahrscheinlich,
dass sich Infizierte bereits im Land aufhalten.

Chinas Führung setzte auf höchster Parteiebene eine leitende
Arbeitsgruppe zum Umgang mit der Lungenkrankheit ein. Der Beschluss
fiel am Samstag auf einer Krisensitzung des Politbüros unter Leitung
von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Aus Angst vor einer
Einschleppung des Virus stoppt die Hauptstadt Peking von Sonntag an
ihren Busverkehr mit den Provinzen. In Peking gibt es bereits rund 30
bestätigte Fälle. Nicht alle werden aber auf Besuche in der schwer
betroffenen Provinz Hubei in Zentralchina zurückgeführt.

Dort ist die Elf-Millionen-Metropole Wuhan besonders schwer
betroffen. Das neue Coronavirus ist Ende vorigen Jahres vermutlich
von einem Tiermarkt der Stadt ausgegangen. Die Krankenhäuser sind
völlig überfordert. Nach offiziell unbestätigten Berichten werden
Patienten sogar zurückgewiesen, weil es nicht genug Personal und
Betten gibt. Nachdem in Wuhan mit dem Bau eines Hospitals mit 1000
Betten begonnen worden war, soll ein weiteres mit 1300 Betten folgen.
Das erste Hospital in Schnellbauweise soll am Montag in einer Woche
erste Patienten aufnehmen, das zweite zwei Tage später.

Aus anderen Teilen Chinas wurden mehr als 1680 Ärzte und Pfleger
mobilisiert und nach Wuhan entsandt, darunter 450 vom Militär. Auch
wurden 14 000 Schutzanzüge bereitgestellt. Augenzeugen berichten von
langen Schlangen an überfüllten Krankenhäusern. Die Lage in den
anderen abgeschotteten Millionenstädten war unklar. Der öffentliche
Nah- und Fernverkehr, Zug- und Flugverbindungen wurden gestoppt und
Ausfallstraßen gesperrt. Von Sonntag an wird auch der gewöhnliche
Autoverkehr in den großen Stadtbezirken Wuhans gestoppt.

Trotz der Abschottung ist die Versorgung der Metropole nach amtlichen
Angaben nicht gefährdet. «Die Versorgung der Märkte ist gesichert»,

versicherte der Gouverneur der Provinz Hubei, Wang Xiaodong. Die
Frachtkanäle blieben offen. Auch würden weiter Agrarprodukte aus
anderen Provinzen nach Wuhan transportiert.

Die größte Gefahr sei die Zu- und Abwanderung der Menschen. Deswegen
sei die wichtigste Maßnahme im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus
die Beschränkung der Bewegungsfreiheit. «Wenn dieses Problem nicht
gelöst worden wäre, hätte es größeren Schaden für Leben und
Gesundheit der Menschen auslösen können», rief er nach Angaben der
«China Daily» zu Verständnis für die drastischen Maßnahmen auf.


Die Regierung ordnete landesweit Kontrollen und Hygienemaßnahmen im
Transportwesen an. An Flughäfen, Bahnhöfen, Busstationen und
Passagierhäfen sollen Fiebermessgeräte installiert werden. Auch
müssten Vorkehrungen getroffen werden, wie Infizierte isoliert oder
Verdachtsfälle beobachtet werden könnten. Am Samstag stand an vielen
Verkehrsknotenpunkten schon Personal, das mit Hand-Messgeräten die
Temperatur von Reisenden maß.

Der Präsident des Robert Koch-Instituts relativierte die
länderübergreifende Gefahr durch das neue Virus. «Außerhalb Chinas

gibt es bisher keine großen Infektionsketten», sagte Lothar Wieler im
«Heute Journal» des ZDF. Allerdings betonte der Mikrobiologe, man
könne die Schwere der Erkrankungen noch nicht genau beurteilen. «Wir
haben keine vollständigen Informationen.»