Zeuge im Stutthof-Prozess: Sah Erhängte neben dem Weihnachtsbaum

Hamburg (dpa/lno) - Im Hamburger Prozess gegen einen früheren
Wachmann im KZ Stutthof ist am Freitag eine Erklärung eines
norwegischen Überlebenden verlesen worden. Der heute 97 Jahre alte
Johan Solberg war demnach als Mitglied der norwegischen
Widerstandsbewegung im Frühjahr 1944 gefangen genommen worden. Am 13.
August 1944 kam er mit rund 50 Gefangenen aus Norwegen in das Lager
bei Danzig. «Meine erste Begegnung mit dem Lager war ein
Schockerlebnis», hieß es in der Erklärung. Er habe gesehen, wie Wagen

mit Leichen zum Krematorium geschoben worden seien. Ein Mann habe den
Toten die Goldzähne herausgezogen.

Er habe elf Hinrichtungen beobachtet, ließ Solberg von seinem Sohn in
der Erklärung protokollieren. «Am stärksten beeindruckt hat mich die

Hinrichtung von zwei russischen Jungen am vierten Weihnachtstag (28.
Dezember).» Die beiden Jugendlichen seien neben einem Weihnachtsbaum
erhängt worden.

Angeklagter in dem Prozess ist ein 93-Jähriger, der von August 1944
bis April 1945 in Stutthof als Wachmann im Einsatz war. Ihm wird
Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vorgeworfen. Er soll «die
heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge

unterstützt» haben. Zu seinen Aufgaben habe es gehört, die Flucht,
Revolte und Befreiung von Gefangenen zu verhindern.