Rufe nach Steuersenkungen

Der Rekordüberschuss im Bundeshaushalt hat die Debatte über
Steuersenkungen befeuert. Auch in den Koalitionsparteien gibt es
Forderungen nach Entlastungen - mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Berlin (dpa) - Die Debatte über mögliche Steuersenkungen gewinnt
weiter an Fahrt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will
einen neuen Anlauf für eine Reform der Unternehmensteuern nehmen.
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sprach sich dafür aus, kleine und
mittlere Einkommen zu entlasten. Rufe nach Steuersenkungen waren nach
dem jüngsten Rekordüberschuss im Bundeshaushalt lauter geworden.

«Wir müssen die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern, damit
sie international konkurrenzfähig bleiben», sagte Altmaier der
Deutschen Presse-Agentur. «Unsere Unternehmen brauchen mehr Luft zum
Atmen, damit sie die entscheidenden Investitionen in die
Zukunftstechnologien tätigen können. Dazu gehören Steuerentlastungen

und Bürokratieabbau.» Altmaier fordert schon länger niedrigere
Unternehmensteuern und eine vollständige Abschaffung des
Solidaritätszuschlags - die SPD ist aber dagegen.

Walter-Borjans sagte der «Süddeutschen Zeitung» (Freitag): «Wir
müssen uns entscheiden: Wollen wir, dass die kleinen und mittleren
Einkommen am Ende mehr von ihrem Lohn behalten dürfen? Ich finde ja.»
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warb für eine Steuersenkung
für kleine und mittlere Einkommen. Das so frei werdende Geld fließe
direkt in den Konsum und stärke damit die Binnenkonjunktur, sagte
Vorstandsmitglied Stefan Körzell der «Neuen Osnabrücker
Zeitung» (Freitag).

Gestützt von niedrigen Zinsen hatte der Bund im vergangenen Jahr
trotz der schwachen Konjunktur einen Rekordüberschuss von 13,5
Milliarden Euro erzielt. Linke, FDP und AfD hatten daraufhin
gefordert, dies für Entlastungen bei den Steuern zu nutzen.

Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken hatte Forderungen nach
Steuersenkungen dagegen vor rund eineinhalb Wochen noch abgelehnt.
«Das halte ich wirklich für einen gefährlichen Vorschlag, jetzt
Steuern zu senken», sagte sie dem Bayerischen Rundfunk. Sie forderte
stattdessen einen «langfristigen Investitionsplan», damit unabhängig

von Kassenlage und Konjunktur investiert werden könne.

Anfang der Woche war die Steuerdebatte zusätzlich befeuert worden,
als bekannt wurde, dass mehr als 3,5 Millionen Menschen 2015 den
Spitzensteuersatz zahlen mussten - Tendenz stark steigend. Viele
Arbeitnehmer würden schon mit mittlerem Gehalt zu Spitzenverdienern
erklärt, kritisierte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch daraufhin.
Walter-Borjans betonte nun, entscheidend sei nicht die Besteuerung
des zuletzt verdienten Euro, sondern der Prozentsatz, der vom
gesamten Einkommen ans Finanzamt gehe. Dieser durchschnittliche
Steuersatz liege für die allermeisten zwischen 15 und 25 Prozent.
«Wir sollten ihn trotzdem spürbar senken.»

In einem Interview des «Handelsblatts» hatte er zuvor auf Vorschläge

der SPD von vor der letzten Bundestagswahl verwiesen: «Der
Spitzensteuersatz sollte erst ab einem höheren Einkommen als heute
greifen, der Satz darüber hinaus aber steigen.» Zu den Forderungen
nach einer Reform der Unternehmensteuer sagte er dort dagegen: «Da
würde ich nichts überstürzen. Nur weil der Bund Überschüsse hat o
der
jemand befürchtet, die Konjunktur könnte etwas schwächer werden,
dürfen wir uns an dieser Stelle nicht treiben lassen.»

Dem «SZ»-Bericht zufolge rechnet Walter-Borjans bei einer
steuerlichen Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen mit
staatlichen Mindereinnahmen von mindestens 30 Milliarden Euro. «Dann
lautet die Entscheidung: wollen wir dafür auf gute Schulen, intakte
Straßen, Bus- und Bahnverbindungen, Krankenhäuser und endlich
stabilen Mobilfunk verzichten? Oder auf Investitionen in Humanität
und sozialen Zusammenhalt? Ich finde nein!» Dann gebe es aber nur
einen Ausweg: «Steuerschlupflöcher dichtmachen, Top-Einkommen und
-Vermögen stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen und
einen Teil der Investitionen in die Zukunft auch in der Zukunft zu
finanzieren: über Kredite. So wie erfolgreiche Unternehmen das auch
tun.»

Der DGB fordert, den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent
anzuheben - dafür soll dieser Satz aber erst bei einem Einkommen von
74 500 Euro greifen. Heute fällt dieser Satz bereits auf Einkünfte
oberhalb eines zu versteuernden Einkommens von rund 56 000 Euro an.

Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz sprach sich dafür aus, «Bürgern

und Unternehmen etwas zurückzugeben». «Ich denke die Union wäre daz
u
bereit, entsprechende Reformen anzupacken», sagte er der
«Saarbrücker Zeitung» (Freitag).