Lungenkrankheit in China: Droht ein zweites Sars? Von Annett Stein und Sebastian Fischer, dpa

Die neue Lungenkrankheit in China weckt Erinnerungen an Sars. Die
Epidemie war 2002/2003 verheerend: Menschen in Quarantäne, Hotels in
Asien menschenleer. Doch ist ein Vergleich angemessen?

Peking (dpa) - Im Zuge der neuen Lungenkrankheit in China fällt
häufig der Verweis auf Sars vor mehr als 15 Jahren. Damals hatte die
Epidemie massive Folgen - gesundheitlich und wirtschaftlich.

THESE: Der aktuelle Coronavirus könnte sich als so dramatisch
herausstellen wie der Sars-Virus in den Jahren 2002/2003.

BEWERTUNG: Das lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

FAKTEN: Zwar gehört der neue Erreger derselben Virusart wie Sars an,
er ist nach Untersuchungen des Berliner Virusforschers Christian
Drosten aber eine andere Variante. Der von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) «neues Coronavirus» - 2019-nCoV -
genannte Erreger scheint sowohl weniger ansteckend als auch weniger
gefährlich zu sein.

Bei der Lungenkrankheit Sars wurden 2002/2003 insgesamt 8000
Infektionen erfasst, von denen 800 tödlich verliefen. Es starb also
etwa einer von zehn nachweislich Erkrankten. Bei dem neuen Virus
wurden seit Dezember 2019 nach Angaben der chinesischen Ausgabe der
«Global Times» mehr als 540 Fälle der Lungenkrankheit bestätigt.
Zudem sind 17 Todesfälle nachgewiesen. Da die Krankheit derzeit wohl
noch weitestgehend mild verläuft, gibt es bei den Erkrankten
möglicherweise eine hohe Dunkelziffer.

Experten des Imperial College London etwa schätzen, dass es Ende
vergangener Woche bereits mehr als 1700 Infizierte gegeben haben
könnte. Auch Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der
Charité in Berlin, hält eine höhere Fallzahl für wahrscheinlich.

Möglicherweise ist 2019-nCoV also - abgesehen von einzelnen
Todesfällen bei schon zuvor schwer erkrankten Menschen - eine eher
harmlose Erkrankung ähnlich einer Erkältung. Das wäre gut, hätte ab
er
auch einen Nachteil: Eine weltweit um sich greifende Infektionswelle
ließe sich nicht so leicht eindämmen, Ansteckungen fielen kaum auf.

Die Sars-Epidemie vor mehr als 15 Jahren war die erste
weltumspannende Seuche dieses Jahrhunderts. Im Februar 2003 brachte
ein infizierter Arzt den Erreger aus der südchinesischen Provinz
Guangdong, wo die Krankheit schon über Monate kursierte, in ein
Hongkonger Hotel. Von dort breitete sich das Virus wohl über den
Erdball aus, nach Angaben des Europäischen Krankheitszentrums ECDC
waren 33 Länder betroffen. Im März 2003 stufte die WHO das Schwere
Akute Atemnotsyndrom (Sars) als weltweite Bedrohung ein.

Im Sommer 2003 war der Ausbruch dann beendet. Asiens Wirtschaft aber
hatte er zum Zittern gebracht. Die Aktienmärkte, ob in China,
Singapur, Hongkong oder Taiwan, verloren an Boden - besonders
betroffen: Hongkong. Obwohl sich dort damals nur weniger als ein
Promille der Bevölkerung mit dem Virus infiziert habe, sei der Konsum
«regelrecht eingebrochen», zitiert das RWI Leibniz-Institut für
Wirtschaftsforschung einen Strategen der Bank Goldman Sachs.

Tourismusmanager und Fluggesellschaften mussten seinerzeit mit einem
dicken Minus leben. Reisende blieben völlig weg, viele Hotels
in Asien standen leer. Internationale Wissenschaftler schätzten 2004,
dass sich die weltweiten Kosten der Epidemie womöglich auf mehr als
40 Milliarden US-Dollar belaufen könnten.

Ob auch die aktuelle Lungenkrankheit solche Auswirkungen hat, ist
derzeit ungewiss. Sollte sich 2019-nCoV weiter ausbreiten, sehen
Analysten der Commerzbank zum Beispiel das Risiko, «dass dem ohnehin
angeschlagenen chinesischen Konsum weiterer Gegenwind entgegenbläst».
Zuletzt waren weltweit die Aktienkurse internationaler
Fluggesellschaften bereits unter Druck geraten.

Derzeit hängt also alles davon ab, wie es mit dem aktuellen
Coronavirus weitergeht. Dabei sollte aber auch klar sein: Es muss
nicht bei milden Verläufen bleiben. Erreger wie das neue 2019-nCoV
und Sars-CoV sind wandelbar und anpassungsfähig - mit Änderungen in
ihrem Erbgut könnten sie weitaus ansteckender und gefährlicher
werden. Bei Sars zumindest war dem nicht so: Inzwischen ist das Virus
wahrscheinlich nur noch in Tieren unterwegs.