Neues Virus in China: Erster Fall in USA nachgewiesen

Das neuartige Coronavirus in China ist offenbar weiter verbreitet als
zunächst angenommen. Die Zahl der Nachweise steigt unaufhörlich,
zudem werden weitere Tote gemeldet. Reisende könnten die
Lungenkrankheit auch nach Europa bringen - in den USA ist sie schon.

Peking/Berlin/Washington (dpa) - Nach dem Anstieg der Patientenzahl
in China ist auch in den USA ein erster Fall der neuen
Lungenkrankheit nachgewiesen worden. Es handele sich um einen Mann,
der nach einer Reise in die chinesische Stadt Wuhan am 15. Januar in
die Westküstenmetropole Seattle zurückgekehrt sei, teilte die
US-Gesundheitsbehörde CDC am Dienstag mit. Der Mann habe bei der
Rückreise noch keinerlei Symptome bemerkt, sich dann aber zur
Untersuchung in ein Krankenhaus begeben, hieß es. Er sei in gutem
Zustand. Es bestehe nur ein sehr geringes Risiko, dass er weitere
Menschen anstecken könne.

Experten hatten zuvor erklärt, dass vereinzelte Einschleppungen der
neuen Lungenkrankheit auch nach Europa immer wahrscheinlicher seien.
Es sei nicht auszuschließen, dass eine erkrankte Person nach
Deutschland reise, sagte Lars Schaade, Vizepräsident des Robert
Koch-Instituts (RKI) in Berlin. Sorgen müsse man sich in Deutschland
aber nicht machen.

«Wir müssen in den kommenden Tagen mit mehr Fällen in anderen Teilen

Chinas und möglicherweise auch in anderen Ländern rechnen», erklärt
e
der Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tarik Ja?arevic,
am Dienstag in Genf. Ungewöhnlich sei das nicht: «Wenn man die
Überwachung ausweitet, ist es auch wahrscheinlich, dass man mehr
Fälle entdeckt.»

Die Gesundheitsbehörde der zentralchinesischen 11-Millionen-Metropole
Wuhan meldete weitere Tote durch das neuartige Coronavirus. Insgesamt
sind nun sechs Todesfälle bestätigt, zumeist betrafen sie ältere
Menschen mit schweren Vorerkrankungen. Zudem wurden am Dienstag
Dutzende weitere Infektionen gemeldet. Damit gibt es nun in China
mehr als 300 bestätigte Fälle seit Beginn des Ausbruchs im Dezember.

Nachweise gibt es zudem in Taiwan, Thailand, Japan und Südkorea - in
allen Fällen erkrankten Menschen, die zuvor in Wuhan waren. «Wir
müssen uns in Deutschland darauf vorbereiten, dass es zumindest in
Einzelfällen auch zu Einschleppungen der Erkrankung kommt», sagte der
Berliner Virusforscher Christian Drosten. «Kliniken müssen dann
darauf vorbereitet sein, die Patienten zu isolieren.»

Das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung in Deutschland wird vom
zuständigen RKI derzeit als «sehr gering» eingestuft. Zwar könne es

einzelne Fälle von Importen geben, fortgesetzte Infektionsketten -
also anschließende Übertragungen von Mensch zu Mensch - seien nach
derzeitigem Stand aber unwahrscheinlich, so RKI-Vizepräsident
Schaade. Auch beim Mers-Coronavirus seien vereinzelt Infizierte nach
Deutschland gekommen, ohne dass es daraufhin in Deutschland zu
weiteren Übertragungen gekommen sei.

Auch das Bundesgesundheitsministerium schätzt die Gefahr für
Deutschland als gering ein. «Trotzdem beobachten wir die Situation in
China natürlich aufmerksam und stehen dazu in ständigem Austausch mit
unseren internationalen Partnern», sagte ein Sprecher des
Bundesgesundheitsministeriums.

Mit der gerade laufenden Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest am
kommenden Samstag wächst die Gefahr einer Ausbreitung des Virus. In
der zweiwöchigen Ferienzeit rund um das Fest sind einige Hundert
Millionen Chinesen unterwegs, viele Familien unternehmen zudem
gemeinsame Reisen ins Ausland. Beliebt sind dabei neben Zielen in
Südostasien auch Reisen nach Europa oder in die USA.

Asiatische Nachbarn und Flughäfen in anderen Ländern wie den USA und
Australien haben inzwischen Fieberkontrollen bei der Einreise aus
Wuhan eingeführt. Das italienische Gesundheitsministerium kündigte
an, Verdachtsfälle an Bord in Rom landender Flugzeuge aus Wuhan
künftig zu überprüfen. Piloten sollen demnach Passagiere mit
entsprechenden Symptomen melden. Diese würden dann sofort in das
nationale Institut für Infektionskrankheiten in Rom gebracht, hieß
es.

An deutschen Flughäfen gibt es vorerst keine speziellen Maßnahmen.
Der Flughafen Frankfurt hat aber Vorbereitungen getroffen. «Der Plan
liegt in der Schublade», sagte eine Sprecherin der
Betreibergesellschaft Fraport am Dienstag. Wenn das Gesundheitsamt in
Frankfurt Empfehlungen ausspreche, würden diese umgesetzt.
Direktflüge aus Wuhan nach Frankfurt gebe es keine.

Auch vom Flughafen Düsseldorf hieß es, bisher halte das zuständige
Gesundheitsamt noch keine Maßnahmen für erforderlich. Sollte sich ein
Verdachtsfall an Bord einer Maschine Richtung Düsseldorf befinden,
gäbe der Pilot einen Hinweis an die Flugsicherung oder den Airport,
erklärte ein Sprecher weiter. «Der Flughafen würde sofort das
Gesundheitsamt informieren und die entsprechende Maschine später in
einem separaten Bereich platzieren.»

Vom Robert Koch-Institut hieß es, es gebe ohnehin keine
wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit sogenannter Entry
Screenings an Flughäfen, also Kontrollen bei der Einreise. Sinnvoll
seien aber Exit Screenings in von einer Erkrankungswelle besonders
betroffenen Gebieten. Wuhan hat entsprechende Kontrollen bei der
Ausreise bereits eingeführt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat wegen der Lungenkrankheit
ihren Notfallausschuss einberufen. Die Experten sollten am Mittwoch
beraten. Sollte die WHO einen internationalen Gesundheitsnotstand
ausrufen, empfiehlt sie damit schärfere Maßnahmen zur Bekämpfung der

Seuche. Dazu können unter anderem Grenzkontrollen und das Einrichten
spezialisierter Behandlungszentren gehören.

Derzeit empfiehlt die WHO keinerlei Reise- oder
Handelsbeschränkungen. «Auf Grundlage der vorhandenen Informationen
gibt es keine Rechtfertigung für Beschränkungen von Reisen oder
Handel», sagte der Sprecher. «Sollte die Situation eskalieren, könnte

die WHO sich zu den Risiken von Reisen in betroffene Gegenden
äußern.»

Auch die EU-Kommission plant zur Bewertung der Risiken durch die neue
Lungenkrankheit ein Treffen. Nach Angaben eines Sprechers soll der
Ausschuss für Gesundheitssicherheit am Donnerstag zusammenkommen.
Bereits vergangenen Freitag habe es einen Austausch der EU-Staaten
gegeben, bei dem über mögliche Reaktionen auf das Coronavirus beraten
worden sei.