Virus in China verbreitet sich von Mensch zu Mensch - Zahlen steigen

Die Zahl der Patienten mit der neuen Lungenkrankheit in China steigt
rasant. Auch werden an immer neuen Orten Infektionen mit dem neuen
Sars-Virus nachgewiesen. Sorge bereitet eine nun bestätigte
Vermutung.

Peking (dpa) - Die neuartige Lungenkrankheit in China kann auch von
Mensch zu Mensch übertragen werden. Zudem seien Infektionen bei
medizinischem Personal bestätigt, teilte ein Expertenteam der
chinesischen Gesundheitskommission am Montag nach Angaben der
Nachrichtenagentur Xinhua mit. Für zwei Fälle in der Provinz
Guangdong sei eine Übertragung von Mensch zu Mensch nachgewiesen,
sagte der Chef des Teams, Zhong Nanshan.

Für Experten ist es ein wichtiger Indikator, ob Ärzte und Pfleger von
einer neuen Erkrankung betroffen sind: Infizieren sich viele von
ihnen, ist das ein deutlicher Hinweis auf eine leichte
Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch. Für die neue, wahrscheinlich
von Wildtieren auf den Menschen übergesprungene Sars-Virus-Variante
war anfangs angenommen worden, dass es keine oder kaum Übertragungen
von Mensch zu Mensch gibt.

Die Zahl bestätigter Infektionen in China stieg sprunghaft auf rund
220. Ein weiterer Patient starb. Damit sind drei Todesfälle bekannt,
wie die Gesundheitsbehörde der zentralchinesischen Metropole Wuhan
berichtete. Dort hatte der Ausbruch begonnen. Erstmals wurden
Infektionen mit dem Coronavirus an mehreren anderen Orten sowohl im
Norden wie auch im Süden Chinas nachgewiesen. Zudem gibt es Nachweise
bei Menschen in Thailand, Japan und Südkorea, die zuvor in Wuhan
waren. In Europa wurden bisher keine von Reisenden eingeschleppten
Fälle bekannt.

Mit der gerade laufenden Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest am
kommenden Samstag wächst die Gefahr einer Übertragung des Virus. Bei
der größten jährlichen Völkerwanderung sind einige Hundert Millione
n
Chinesen unterwegs. Asiatische Nachbarn und mehrere Flughäfen in
anderen Ländern weltweit haben Fieberkontrollen bei der Einreise aus
Wuhan eingeführt. Am Montag zog auch Italien nach: Verdachtsfälle an
Bord in Rom-Fiumicino landender Flugzeuge aus Wuhan würden künftig
überprüft, teilte das Gesundheitsministerium mit. Piloten sollen
demnach Passagiere mit entsprechenden Symptomen melden. Diese würden
dann sofort in das nationale Institut für Infektionskrankheiten in
Rom gebracht, hieß es.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping schaltete sich am Montag
erstmals in die Gesundheitskrise ein und gab Anweisung, die
Ausbreitung der Krankheit energisch einzudämmen. Die Sicherheit der
Menschen und ihre körperliche Gesundheit habe «absoluten Vorrang»,
zitierte ihn das Staatsfernsehen.

Außer in der Stadt Wuhan, wo es die meisten bestätigten Fälle gibt,
wurde von Patienten in der Südprovinz Guangdong sowie in Peking im
Norden und in Shanghai berichtet. Zudem wurden Verdachtsfälle in
mehreren anderen Städten gemeldet. Von den bisher erfassten Patienten
in der 11-Millionen-Metropole Wuhan waren 35 schwer erkrankt, davon
neun in kritischem Zustand.

Analysen des Erbguts hatten dem Berliner Virusforscher Christian
Drosten zufolge ergeben, dass es sich bei dem Erreger um eine
Sars-Variante handelt. Ein Sars-Virus hatte von China ausgehend
2002/2003 eine weltweite Pandemie mit 8000 Infizierten zur Folge,
etwa 800 Menschen starben.

Experten des Imperial College London gehen davon aus, dass die neue
Krankheit schon wesentlich weiter verbreitet ist als bisher bekannt.
Nach ihrer Hochrechnung könnte es bereits mehr als 1700 Infizierte
geben. «Solche Schätzungen sind immer mit großen Unsicherheiten
behaftet», sagte Drosten dazu. «Im Kern glaube ich aber an diese
Zahlen.»

Die ersten Infektionen werden mit einem inzwischen geschlossenen
Fischmarkt in Wuhan in Verbindung gebracht, auf dem auch Wildtiere
verkauft wurden. Auch der Sars-Erreger von 2002/2003 war
höchstwahrscheinlich von einem Wildtier auf den Menschen
übergesprungen, angenommene Quelle sind Schleichkatzen. Die
chinesischen Behörden hätten bereits eine Hypothese, von welcher
Tierart der neue Erreger auf den Menschen übergesprungen sein könnte,
hatte Virusforscher Drosten kürzlich erklärt. «Das wird aber erst
offiziell verkündet, wenn es als gesichert gilt.»

Coronaviren verursachen oft harmlose Erkrankungen wie Erkältungen -
allerdings gehören auch Erreger gefährlicher Atemwegskrankheiten wie

Sars und Mers dazu. Sars steht für «Severe Acute Respiratory
Syndrome», also Schweres Akutes Atemwegssyndrom. Bei der
Sars-Pandemie 2002/2003 war der Ausbruch anfangs vertuscht worden,
was eine schnelle Reaktion verhindert und die Verbreitung begünstigt
hatte.

Die Weltgesundheitsorganisation hat bisher keine Reisewarnung für
Touristen ausgesprochen. Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC
riet Reisenden nach Wuhan lediglich, Tiermärkte und den Kontakt mit
Tieren oder mit kranken Personen zu meiden.