Ausmaß der mysteriösen Lungenkrankheit in China größer als angenomm en

Ausländische Experten schätzen die Zahl der Infizierten mit dem neuen
Coronavirus auf 1700. In China steigt die Zahl der bestätigten Fälle
- aber vorerst nur auf 62. Sind Erkrankte doch ansteckend?

Wuhan (dpa) - Die Ausbreitung der rätselhaften Lungenkrankheit in
China ist möglicherweise viel größer als bisher angenommen. Das
britische Zentrum für die Analyse globaler Infektionskrankheiten am
Imperial College London schätzt die wahre Zahl der Infizierten auf
mehr als 1700. Auch warnen die Experten vor einer Übertragung von
Mensch zu Mensch. Die zentralchinesische Metropole Wuhan berichtete
am Sonntag, dass bei 17 weiteren Lungenkranken das neuartige
Coronavirus entdeckt worden sei. Die Zahl der in China bestätigten
Fälle steigt damit auf 62. Zwei Patienten sind bisher gestorben.

«Es ist wahrscheinlich, dass der Ausbruch des neuen Coronavirus in
Wuhan bedeutend mehr Fälle mit mittleren oder schweren Erkrankungen
der Atemwege verursacht hat als bisher berichtet», heißt es in der
Studie der Experten vom Imperial College London, das auch die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die britische Regierung berät.

Die Schätzung von mehr als 1700 Infektionen geht auf ein Rechenmodell
zurück, in dem die Fachleute die drei im Ausland festgestellten
Infektionen mit der Zahl der Flugreisenden, der Bevölkerung und der
Inkubationszeit zugrunde gelegt haben. So leben im Einzugsgebiet des
Flughafens von Wuhan rund 19 Millionen Menschen, von denen aber nur
rund 3400 Personen am Tag ins Ausland fliegen.

In Thailand sind zwei Infektionen und in Japan ein Fall bei Reisenden
aus Wuhan bestätigt worden. Die drei Patienten hatten auch nicht den
Tiermarkt besucht, der nach amtlichen Angaben mit den meisten anderen
Infektionen in Wuhan in Verbindung gebracht wurde. Unter Hinweis auf
die Erfahrungen mit ähnlichen Coronaviren wie Sars oder Mers warnen
die Experten aus London, «dass eine selbst erhaltene Übertragung von
Mensch zu Mensch nicht ausgeschlossen werden sollte».

Coronaviren verursachen oft harmlose Erkrankungen wie Erkältungen -
allerdings gehören auch Erreger gefährlicher Atemwegskrankheiten wie

Sars und Mers dazu. Es wird vermutet, dass das neuartige Virus aus
der Tierwelt kommt. Bislang gab es laut WHO aber «keine klaren
Beweise» für eine Übertragung von Mensch zu Mensch.

Der neue Erreger ist nach Angaben von Experten dem Sars-Virus sehr
ähnlich. Sars steht für «Severe Acute Respiratory Syndrome», also
Schweres Akutes Atemwegssyndrom. Bei der Sars-Pandemie waren
2002/2003 von China ausgehend weltweit rund 8000 Menschen an der
Lungenseuche erkrankt. Knapp 800 starben.

Nach dem Ausbruch der neuen Lungenkrankheit in Wuhan wurden bereits
Verdachtsfälle aus Hongkong, Taiwan, Südkorea, Singapur, Vietnam und
Nepal berichtet. Mindestens drei verdächtige Patienten gibt es auch
in den chinesischen Städten Shenzhen und Shanghai, wie die Hongkonger
Zeitung «South China Morning Post» berichtete.

Die 17 neuen Infektionen in Wuhan seien bei der Untersuchung von
weiteren Patienten festgestellt worden, die in verschiedenen
Krankenhäusern der Stadt mit Lungenleiden unbekannter Ursache
behandelt worden seien, berichtete das Gesundheitsamt. Drei von ihnen
seien ernsthaft erkrankt. Der Rest sei stabil. Somit steigt die
Gesamtzahl der Patienten im kritischen Zustand auf acht.

Das Alter der neu entdeckten Patienten reiche von 30 bis 79 Jahren,
hieß es. Die Behörden verfolgten jetzt, welche Personen mit ihnen
engen Kontakt gehabt hätten. Die Stadt werde ihre Suche nach weiteren
Verdachtsfällen ausweiten und Tests machen, kündigte das
Gesundheitsamt an. Von den 62 bestätigten Patienten seien bisher 19
als geheilt entlassen worden.