Gemälde aus spektakulärem Diebstahl beenden «Trauma von Gotha» Von Gerd Roth, dpa

Es war einer der spektakulärsten Diebstähle der DDR-Geschichte. Und
auch die Umstände der Rückkehr der 1979 in Gotha verschwundenen
Gemälde lassen den Atem stocken. Dabei ist noch lange nicht alles
bekannt.

Berlin/Gotha (dpa) - Er ist so etwas wie der Held eines fast
unglaublichen Kunstkrimis. Knut Kreuch, Oberbürgermeister von Gotha,
ist Dreh- und Angelpunkt einer Entwicklung, die dem von ihm als
«Trauma von Gotha» bezeichneten Zustand ein Ende bereiten soll. Gut
40 Jahre nach dem spektakulären Diebstahl in der thüringischen
Residenzstadt und nach Monaten nicht weniger aufregender
Geheimverhandlungen steht Kreuch am Freitag in Berlin vor fünf
Staffeln mit jenen so wichtigen Gemälden von Frans Hals, der
Werkstatt Jan Brueghel des Älteren, einem unbekannten Künstler nach
Anthonis van Dyck, Ferdinand Bol oder Jan Lievens und Hans Holbein
dem Älteren. Die Werke sind zurück - und sie sind authentisch.

Die Gemälde im Wert von nach heutiger Schätzung vier bis fünf
Millionen Euro waren in der Nacht zum 14. Dezember 1979 aus der
Sammlung von Schloss Friedenstein in Gotha gestohlen worden. Was
folgte, schilderte Stiftungsdirektor Tobias Pfeifer-Helke als «größte

Ermittlung zu DDR-Zeiten», bei der nach seiner Schilderung mehr als
1000 Menschen vernommen wurden, die Stasi ermittelte und Verhöre
teilweise im Gefängnis stattfanden. Dennoch blieben die Gemälde 40
Jahre lang verschwunden.

Im Sommer 2018 dann suchte ein Anwalt den Kontakt zu Kreuch. Es ging
um die Bilder. «Die Geschichte war nicht glaubhaft, aber die andere
Seite saß am längeren Hebel», schildert der Oberbürgermeister die
Ausgangslage. Eingeschaltet wurden zunächst nur zwei Parteien: die
Ernst von Siemens Kunststiftung, die in solchen Fällen einen
«Finderlohn» bezahlen kann, wie es Generalsekretär Martin Hoernes
umschreibt, und das Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu
Berlin, wo Direktor Stefan Simon mit seinem Team die Echtheit der
alten niederländischen Meister prüfen sollte. Das gelang nach Simons
Schilderung auch mit alten Röntgenaufnahmen der Gemälde aus 40
unsortierten Kartons des zufällig gefundenen Nachlasses eines
Radiologen.

Der Anwalt handelte für eine Erbengemeinschaft. Über Verhandlungen
und Ergebnisse gibt es nur spärliche Informationen. Zunächst sollte
nur ein Bild rausgerückt werden, um die Wissenschaftler arbeiten zu
lassen. Kreuch wollte auf jeden Fall gleich alle. Auch auf
Geldforderungen wurde laut Hoernes mit «Sturheit und Coolness»
reagiert. Ein Poker mit Erfolg: «Die Übergabe ohne Gegenleistung war
der große Coup», sagt Kreuch.

Jenseits der zivilrechtlichen Ebene gibt es noch einen
strafrechtlichen Aspekt. Im Landeskriminalamt Berlin ermittelt die
für Kunstdelikte zuständige Abteilung von René Allonge wegen
Verdachts der Erpressung. «Die an der Erpressung beteiligten Personen
sind bekannt», sagte Allonge. Anhaltspunkte für Hehlerei gibt es nach
seiner Schilderung nicht. Warum Berlin? «Die Ermittlungen werden hier
geführt, weil die Übergabe der gestohlenen Kunstwerke in Berlin
stattfand.»

Das LKA befasst sich auch mit dem Weg der Bilder, die im Lauf der
80er Jahre in den Westen gelangten. «Bei der Rekonstruktion, wie die
Bilder aus der damaligen DDR in die BRD kamen, sind wir noch am
Anfang. Wir verfolgen da noch gewisse Spuren, um die Geschichte, die
im Rahmen der Erpressung erzählt wurde, zu überprüfen», sagt Allong
e.

Wo genau die Bilder waren, ist noch unklar. «In Deutschland», sagt
Oberbürgermeister Kreuch. Aber es gibt einige Details von Fotos.
«Frans Hals hing irgendwo in einem Esszimmer.» Auf Brueghel sind
weiße Farbtupfer, wohl von einem Zimmeranstrich. Auf einem der Fotos
sei Raufasertapete zu erkennen.

Institutsdirektor Simon sagt nach der Analyse: «Die Gemälde sind in
einem relativ guten Zustand» und «bedürfen einer Restaurierung». Nu
n
gehen die fünf Gemälde auf den Weg zurück nach Thüringen, für Mon
tag
ist dort die erste Präsentation angekündigt. «Gotha kann sich
freuen», sagte Simon. Er denkt dabei auch gleich an vergleichbare
Einbrüche: «Viele andere warten noch darauf, dass ihnen eines Tages
etwas Ähnliches passiert.»