Koalition streitet weiter über Grundrente - Union kritisiert Heil

Die Grundrente soll kommen - und Arbeitsminister Heil wartet mit
einem Gesetzentwurf auf. Doch umgehend kommen wieder Zweifel auf.
Denn die Union hat noch viele Fragen.

Berlin (dpa) - Der Streit in der Koalition um die Grundrente geht in
die nächste Runde. Aus der Union kam am Freitag heftige Kritik an
einem Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD): Heil
halte vereinbarte Bedingungen nicht ein, die Finanzierung sei offen.

Die Unionsfraktion stehe zur Grundrente, sagte ihr
arbeitsmarktpolitischer Sprecher Peter Weiß (CDU) der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin. «Bis zum Kabinettsbeschluss muss aber auch
ihre Finanzierung geklärt werden.» Geschehen sei dies bislang nicht.

Das Bundesarbeitsministerium hatte am Donnerstag einen Gesetzentwurf
zur Grundrente in die Abstimmung innerhalb der Regierung gegeben. Die
Grundrente soll aus Steuermitteln finanziert werden. Das Ministerium
rechnet bereits im ersten Jahr mit Kosten von rund 1,4 Milliarden
Euro. Starten soll der Zuschlag für Menschen, die trotz langer
Beitragszeiten nur wenig Rente bekommen, 2021.

Finanziert werden soll die Grundrente unter anderem aus der geplanten
europäischen Steuer auf Aktienkäufe. Einen Entwurf dazu gibt es aber
noch nicht. Weiß kritisierte: «Die bisherigen Pläne für eine
Finanztransaktionssteuer sind nicht ausgereift und ihre Einführung im
europäischen Kontext ist noch nicht absehbar.» Eine Sprecherin des
Bundesfinanzministeriums sagte: «Wir sind da zuversichtlich, dass wir
bald zu einer Einigung kommen.»

Darüber hinaus habe die CDU/CSU-Fraktion auch Fragen zur
vorgeschlagenen Höhe des anrechenbaren Einkommens, sagte Weiß. Den
vollen Rentenaufschlag erhalten sollen nur diejenigen, deren
monatliches Einkommen als Rentner nicht über 1250 Euro bei
Alleinlebenden und 1950 Euro bei Ehepaaren liegt.

Nach Informationen des Nachrichtenmagazins «Focus» gibt es in der
Union dabei auch verfassungsrechtliche Bedenken: So sollten bei der
Prüfung Einkommen von Ehepartnern berücksichtigt werden, aber nicht
von unverheirateten Paaren. Gefürchtet werden Nachteile für
Verheiratete. «Der Gesetzentwurf hält die vereinbarten Bedingungen
nicht ein», sagte Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) dem
Magazin.

Nach Informationen von «Bild» und «Handelsblatt» (Freitag) blockier
te
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit einem Veto eine verkürzte
Kabinettsbefassung. Die Beschlussfassung im Kabinett könne daher
nicht in zwei Wochen stattfinden.

Heftige Kritik kam deshalb vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Es mute
seltsam an, dass sich der Gesundheitsminister als Hüter der
Verfassungsmäßigkeit geriere, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie
Buntenbach der dpa. CDU/CSU hätten höchst komplizierte Bedingungen in
das Projekt hineinverhandelt. «Spahn hat das bewusst befördert und
beschwert sich jetzt öffentlich, dass dies ja wohl nicht
verfassungskonform sei.»

Auch der Wirtschaftsflügel der Union kritisierte «erhebliche Mängel
»
am Heil-Entwurf. Der CSU-Landesgruppen-Vizechef Hans Michelbach
kritisierte im «Handelsblatt», bei der Einkommensprüfung sollten
Kapitalerträge, die über die Abgeltungsteuer pauschal versteuert
werden, nicht berücksichtigt würden. Der Wirtschaftsrat der CDU
forderte, dass die Union ihre Zustimmung zur Grundrente verweigert.

Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums räumte ein, es gebe noch
«technische Fragen» zu klären. Doch sei sie sehr zuversichtlich, dass

der Entwurf bald im Kabinett beschlossen werden könne.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte: «Der neue Streit um
die Grundrente ist ein erbärmlicher Fortsetzungsroman.» Angesichts
von Rekordüberschüssen sei nicht vermittelbar, warum für die ärmste
n
Rentner, die lange geschuftet haben, kein Geld da sein solle.

Verdi-Chef Frank Werneke kritisierte, die vorgesehenen
Einkommensgrenzen seien viel zu niedrig. Hans-Jürgen Urban,
Vorstandsmitglied der IG Metall, sagte: «Die Einkommensprüfung
beschädigt den Charakter als Lohn für Lebensleistung.»