Bundestag debattiert leidenschaftlich über Regeln für Organspenden

Tausende kranke Menschen in Deutschland warten auf eine Spenderorgan.
Doch trotz hoher Spendenbereitschaft warten viele vergeblich. Der
Bundestag will dies ändern. Doch der Weg zu einer Lösung ist hoch
umstritten, wie die Debatte zeigt.

Berlin (dpa) - Der Bundestag hat in einer emotionalen Debatte
kontrovers über neue Regeln für Organspenden diskutiert. Es gehe um
eine «Entscheidung von großer Tragweite», sagte
Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann am Donnerstag im Plenum.
Viele schwerkranke Menschen und Angehörige verbänden mit der
Abstimmung große Hoffnungen. «Aber diese Hoffnung werden wir
enttäuschen, wenn wir uns für ein nur leicht verändertes «Weiter so
»
mit der Zustimmungsregelung entscheiden.» Der SPD-Politiker plädierte
für die Widerspruchslösung, nach der grundsätzlich jeder Mensch als
Spender gilt, außer er widerspricht.

Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock warb dagegen dafür, jedem
Bürger die Entscheidung zur Organspende selbst zu überlassen, aber
die Bereitschaft zu stärken, sich auf ein Ja oder Nein festzulegen.
«Wir stimmen hier heute über eine hochethische Frage ab, nämlich: Wie

kommen wir zu mehr Transplantationen? Wie retten wir mehr Leben?»,
sagte Baerbock. «Wir stimmen aber auch darüber ab: Wem gehört der
Mensch? In unseren Augen gehört er nicht dem Staat, nicht der
Gesellschaft, er gehört sich selbst.»

Zur Abstimmung stehen zwei gegensätzliche Gesetzentwürfe. Eine
Abgeordnetengruppe um Karl Lauterbach und Gesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) schlägt eine «doppelte Widerspruchslösung» vor. Demnach

sollen künftig grundsätzlich alle Bürger als Spender gelten. Man soll

dem aber jederzeit widersprechen können. Sonst wäre noch bei
Angehörigen nachzufragen, ob sie einen Widerspruch des Verstorbenen
kennen.

Dagegen stellt sich eine andere Gruppe um Grünen-Chefin Baerbock. Sie
schlägt vor, dass alle Bürger mindestens alle zehn Jahre beim
Ausweisabholen auf das Thema Organspende angesprochen werden. Auch
die AfD hat einen Antrag vorgelegt. Bei der Abstimmung gibt es keine
Fraktionsvorgaben.

Gemeinsames Ziel beider Initiativen ist es, angesichts von rund 9000
Patienten auf den Wartelisten zu mehr Spenden zu kommen. Bisher sind
Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärtem Ja erlaubt.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wies darauf hin, dass die
Spendebereitschaft hoch, die Zahl der Spenden aber relativ niedrig
sei. «Es fehlt eine einfache, unbürokratische Regelung, wie man zum
Spender wird.» Dies sei die Widerspruchslösung.

Die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis betonte dagegen: «Eine Spende muss
ein Spende bleiben, ein aktiver freiwilliger und selbstbestimmter
Akt.» Dies sei die Grundlage von Solidarität und auch das vom
Grundgesetz geprägte Menschenbild, «die Würde nicht zu verletzen üb
er
den Tod hinaus». Man solle nicht auf Trägheit und den Unwillen von
Menschen setzen, sich damit nicht zu befassen. «Das schafft kein
Vertrauen.»

Die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann sagte, es gehe nicht um einen
Zwang zur Organspende, den es niemals geben dürfe. Es sei aber
zumutbar, sich darüber Gedanken zu machen und sich zu entscheiden.
«Das Recht auf Selbstbestimmung bleibt unangetastet.» Wer eine
Entnahme ablehne oder Zweifel habe, müsse nicht spenden. «Ein
einfaches Nein reicht.» Georg Nüßlein von der CSU erläuterte, dass
es
Parallelen gebe: «Wenn Sie keine Patientenverfügung haben, dann
müssen Sie auch mit den Folgen leben.»

Der AfD-Abgeordnete Robby Schlund nannte die Widerspruchslösung
«absolut inakzeptabel» und einen «Eingriff in die freiheitlichen
Grundrechte der Bürger». Er betonte: «Die Freiheit der bewussten
Entscheidung zur Organspende des Einzelnen ist ein hohes Gut in
Deutschland, das es immer wieder zu verteidigen gilt.» Diese
Entscheidung könne und dürfe von keinem Dritten abgenommen werden.

Kathrin Vogler von der Linken warnte ebenfalls davor, jeden Menschen
als Organspender zu sehen, der nicht ausdrücklich widersprochen hat:
«Es sät doch Zweifel und verstärkt vorhandene Ängste.» Christine

Aschenberg-Dugnus von der FDP sagte zur Widerspruchslösung: «Das
missachtet unseren gesellschaftlichen Konsens, dass Schweigen niemals
als Zustimmung gewertet werden kann.»