Gegensätzliche Positionen zu Organspende im Bundestag

Berlin (dpa) - In der Bundestagsdebatte über die Neuregelung von
Organspenden sind erhebliche Gegensätze zwischen den Abgeordneten
deutlich geworden. Als erster Redner wies der SPD-Gesundheitsexperte
Karl Lauterbach am Donnerstag darauf hin, dass die Spendebereitschaft
hoch, die Zahl der Spenden aber relativ niedrig sei. «Es fehlt eine
einfache, unbürokratische Regelung, wie man zum Spender wird.» So
etwas sei die Widerspruchslösung. Demnach würde grundsätzlich jeder
als Spender gelten, außer man widerspricht. Lauterbach betonte, dies
bedeutete keine Pflicht, Spender zu werden - nur eine Pflicht, nein
zu sagen, wenn man kein Organ spenden wolle.

Die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis betonte dagegen: «Eine Spende muss
ein Spende bleiben, ein aktiver freiwilliger und selbstbestimmter
Akt.» Dies sei die Grundlage von Solidarität und auch das vom
Grundgesetz geprägte Menschenbild, «die Würde nicht zu verletzen üb
er
den Tod hinaus». Man solle nicht auf Trägheit und den Unwillen von
Menschen setzen, sich damit nicht zu befassen. «Das schafft kein
Vertrauen.»

Auch der AfD-Abgeordnete Detlev Spangenberg betonte, in dieser Frage
könne Schweigen nicht als Zustimmung gewertet werden. Man müsse auch
auf die persönlichen Ängste von Menschen Rücksicht nehmen. «Wir hab
en
kein Recht, über Ängstliche und Zaudernde den moralischen Zeigefinger
zu heben beziehungsweise eine moralische Keule zu schwingen», sagte
Spangenberg. «Das Zwingen zu einer Entscheidung ist der völlig
falsche Weg. Spenden ja, aber nicht zu einer Entscheidung gezwungen
werden.»

Zur Abstimmung stehen zwei gegensätzliche Gesetzentwürfe. Eine
Abgeordnetegruppe um Lauterbach und Gesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) schlägt eine «doppelte Widerspruchslösung» vor. Demnach solle
n
künftig grundsätzlich alle Bürger als Spender gelten. Man soll dem
aber jederzeit widersprechen können. Sonst wäre noch bei Angehörigen

nachzufragen, ob sie einen Widerspruch des Verstorbenen kennen.
Dagegen stellt sich eine andere Abgeordnetengruppe um Grünen-Chefin
Annalena Baerbock, der auch Mattheis angehört. Sie schlägt vor, dass
alle Bürger mindestens alle zehn Jahre beim Ausweisabholen auf das
Thema Organspende angesprochen werden.

Gemeinsames Ziel beider Initiativen ist es, angesichts von rund 9000
Patienten auf den Wartelisten zu mehr Spenden zu kommen. Bisher sind
Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärtem Ja erlaubt. Über die
Entwürfe und einen AfD-Antrag soll der Bundestag zunächst
debattieren. Bei der Abstimmung gibt es keine Fraktionsvorgaben.