Ministerin für «Kultur der Organspende» - Niederlande als Vorbild

Mehr als 10 000 Menschen in Deutschland warten auf ein

lebensrettendes Organ. Der Bundestag entscheidet am Donnerstag über
die sogenannte Widerspruchslösung. In Rheinland-Pfalz gibt es dazu
auch fraktionsübergreifend unterschiedliche Auffassungen.

Mainz (dpa/lrs) - Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin
Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) hat vor der Bundestagsabstimmung

über eine Neuregelung der Organspende für eine «Kultur der
Organspende» in Kliniken und in der Bevölkerung geworben. «Die
Widerspruchsregelung kann dann hilfreich sein, wenn unsere
Gesellschaft dafür bereit ist und die Organspende auf allen Ebenen
akzeptiert und unterstützt wird», sagte die Ministerin am Mittwoch
der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. «Vor allem sollte eine
Widerspruchsregelung eingebettet sein in zahlreiche andere Maßnahmen
zur Verbesserung der Spendererkennung in den Krankenhäusern und zur
Realisierung der Organspende.»

Wie ein solcher Kulturwandel begleitet werden könne, zeigten die
Niederlande, wo die Widerspruchslösung kürzlich eingeführt worden
war. Die Aufklärung der Bevölkerung stehe dabei besonders im Fokus.
«Alle Niederländer erhalten zwei Mal persönlich Post, im Rahmen der
er
sie über die Widerspruchslösung genau aufgeklärt und aufgefordert
werden, eine Entscheidung zu treffen», berichtete
Bätzing-Lichtenthäler. «Jeder Niederländer hat so wiederholt und

explizit die Möglichkeit einer Organspende zu widersprechen.» Falls
er nicht widerspricht, werde er in einem weiteren Schreiben
informiert, dass er nun als Organspender in einem Register geführt
werde. «Ein Widerspruch ist jedoch jederzeit möglich.»

Der CDU-Spitzenkandidat Christian Baldauf sagte: «Bei aller Einigkeit
im Ziel - denjenigen schnell zu helfen, die dringend auf ein
Spenderorgan warten - bin ich der festen Überzeugung, dass wir
Spendenbereitschaft nur fördern aber nicht verordnen können.» Dies
sei ausdrücklich nur seine persönliche Meinung, nicht die der
gesamten Landtagsfraktion. ««Organspendebereitschaft» als Ausdruck
von Nächstenliebe oder ethischen Prinzipien können wir nicht
herbeiregeln.»

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatte sich in einer
fraktionsübergreifenden Orientierungsdebatte des Landtags zu diesem
Thema im März 2019 für eine Weiterentwicklung der
Entscheidungslösung bei Organspenden ausgesprochen. «Die Organspende
muss immer ein Akt freiwilliger Solidarität sein - eine bewusste
Entscheidung also, die auch nicht einfach ausgehebelt werden kann»,
hatte Dreyer gesagt. Es müsse bei der freiwilligen
Entscheidung bleiben, aber der Mensch solle auch immer wieder gefragt
werden, ob er Organe spenden wolle.

Die grüne Spitzenkandidatin und Familienministerin Anne Spiegel
(Grüne) hatte sich in der Debatte für die Widerspruchslösung
ausgesprochen und auf ihren Organspendeausweis verwiesen.

Der rheinland-pfälzische SPD-Bundestagsabgeordnete Joe Weingarten,
der für Andrea Nahles ins Parlament nachgerückt war, will der
sogenannten doppelten Widerspruchslösung zustimmen. Das kündigte auch
der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für Ludwigshafen,
Frankenthal und den Rhein-Pfalz-Kreis, Torbjörn Kartes (CDU), an. Der
Bundestagsabgeordnete für Trier, Andreas Steier (CDU), schließt sich
dagegen der anderen sogenannten Entscheidungslösung an.

Im Bundestag stehen an diesem Donnerstag zwei gegensätzliche Vorstöße

zur Abstimmung. Eine Abgeordnetengruppe um Gesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) schlägt eine «doppelte Widerspruchslösung» vor. Demnach

sollen alle Bürger als Spender gelten, man soll dem aber jederzeit
widersprechen können. Sonst wäre noch bei Angehörigen nachzufragen,
ob sie einen Widerspruch des Verstorbenen kennen. Dagegen stellt sich
ein andere Abgeordnetengruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Sie
schlägt vor, dass alle Bürger mindestens alle zehn Jahre beim
Ausweisabholen auf das Thema Organspende angesprochen werden.