Patientenschützer: Angehörige bei Organspende nicht abwerten

Berlin (dpa) - Vor der Entscheidung des Bundestags zur Zukunft von
Organspenden bestehen Patientenschützer darauf, dass die nächsten
Verwandten dabei weiter eine wichtige Rolle spielen. «Organspende
braucht die Angehörigen», sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung
Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. «Daher
ist es falsch, die Familien bei dieser ethisch sensiblen Frage zu
reinen Vermittlern abzuwerten.» Das entlaste sie auch nicht, da das
Sterben eines lieben Menschen immer belastend sei. Es gelte, die
Angehörigen zu stärken und sie in alle Entscheidungen einzubeziehen.
Darauf zu verzichten, wäre ein großer Rückschritt im Vergleich zur
bestehenden Rechtslage.

Der Bundestag stimmt an diesem Donnerstag über mögliche neue Regeln
für Organspenden ab. Bryschs Kritik richtet sich gegen die von einer
Abgeordnetengruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) vorgeschlagene «doppelte Widerspruchslösung». Demnach würde

künftig jeder automatisch als Spender gelten, der nicht widerspricht.
Ansonsten wäre als doppelte Schranke der nächste Angehörige zu
befragen - aber nicht nach seiner eigenen Entscheidung, sondern ob er
einen Widerspruch des Verstorbenen kennt. Dies solle die Angehörigen
entlasten, um ihnen nicht wie bisher eine derart schwere Entscheidung
in belastender Situation zuzumuten, heißt es zur Begründung im
Gesetzentwurf.

Brysch erläuterte, 57 Prozent der tatsächlichen Organspenden kämen
zustande, weil Verwandte Ja sagten. Zudem werde auch in Ländern mit
Widerspruchsregelung wie Spanien oder Österreich keine Organspende
gegen den Willen der Angehörigen durchgeführt. Denn nur ein einziger
daraus resultierender Skandal würde in der Öffentlichkeit
schwerwiegende Folgen haben und das Vertrauen vollends untergraben.

Ein Entwurf einer anderen Abgeordnetengruppe um Grünen-Chefin
Annalena Baerbock lehnt eine Widerspruchslösung ab. Sie schlägt darin
vor, alle Bürger mindestens alle zehn Jahre beim Ausweisabholen auf
das Thema Organspende anzusprechen.