Heilversprechen mit Hanf - Was steckt hinter CBD-Produkten? Von Gisela Gross, dpa

Der Wirkstoff aus Cannabis soll beruhigen und - so wird etwa im
Internet behauptet - bei allerlei Beschwerden helfen. All das ohne
Rausch und ohne Rezept vom Arzt. Produkte mit Cannabidiol (CBD)
boomen. Experten haben Bedenken.

Berlin (dpa) - Behutsam träufelt Nico Schack mit einer Pipette etwas
Öl in den Kaffee. Der Preis der Tasse hat sich damit gerade fast
verdoppelt. Im «Café Canna» in Berlin-Prenzlauer Berg kann man sich
sein Heißgetränk für 1,80 Euro Aufpreis mit einem ebenso gehypten wie

umstrittenen Wirkstoff aus Nutzhanf versetzen lassen. Es geht um
Cannabidiol, kurz CBD.

Noch dürfte wohl eine der anderen Wirksubstanzen von Cannabis
bekannter sein: Tetrahydrocannabinol (THC), für den Rauscheffekt der
Droge verantwortlich. Der Psychiater Kurosch Yazdi, Leiter der
Suchtabteilung am Kepler Uni-Klinikum im österreichischen Linz,
beschreibt CBD «ein Stück weit als Gegenteil von THC»: Es habe kein
Suchtpotenzial und beeinträchtige das Fahrvermögen nicht.

Warum CBD auch ohne Rauschwirkung gefragt ist? Ein Grund sind die
angeblichen Wirkungen gegen diverse Leiden, über die auch Promis wie
US-Star Kim Kardashian und Influencer berichten. Auf manchen
Internetseiten wird mit CBD angereichertes Öl wie eine Wunderarznei
angepriesen: «Hilft gegen Diabetes (Typ 2)». Zehn Milliliter eines
solchen Öls können um die 80 Euro kosten.

Experten verzeichnen einen Boom in Deutschland: Öle, Kapseln,
Gummibärchen, Kaugummi und Kosmetik - alle möglichen Waren werden
mit dem Zusatz beworben. Nach Beobachtung der Verbraucherzentralen
ist das Internet der Hauptumschlagplatz, aber auch immer mehr Läden
schießen aus dem Boden, wie Wiebke Franz von der Verbraucherzentrale
Hessen erklärt.

«Es gibt keine vernünftige Regulierung», sagt Georg Wurth vom
Deutschen Hanfverband. Eine der Fragen ist, ob CBD-Produkte ohne
Zulassung der Europäischen Kommission als neuartiges Lebensmittel
verkehrsfähig sind. Behörden und auch Verbraucherzentralen meinen:
Nein, ungeprüft kein Verkauf. Hersteller berufen sich auf die lange
Tradition der Hanfnutzung. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen
beschäftigen Gerichte.

Zum Schutz vor möglichem Ärger nutzen manche Anbieter Schlupflöcher:

Auf CBD-Blüten steht «Räucherware», CBD-Öl wird als Aromaöl
deklariert. Der Wildwuchs geht noch weiter: Untersuchungen haben
gezeigt, dass die angegebene CBD-Dosierung nicht immer den Tatsachen
entspricht - mal war weniger drin, mal mehr. Auch zu hohe THC-Gehalte
wurden laut Verbraucherzentralen schon gefunden.

Was CBD tatsächlich für die Gesundheit leisten könnte, ist noch
unklar. Es gebe zwar Hinweise auf eine entzündungshemmende und
schmerzlindernde Wirkung, so Verbrauchenzentralen-Expertin Franz.
Diese seien aber noch nicht ausreichend durch klinische Studien
gesichert. Auch Fragen zu Dosierung, Sicherheit, Neben- und
Wechselwirkungen seien ungeklärt.

Die etwa in Hanfshops erhältlichen CBD-Produkte seien fast immer so
niedrig dosiert, dass sie keine Wirkung hätten, meint Experte Yazdi.
Die «angedichteten Wirkungen» seien «reine Geschäftemacherei». Da
ss
CBD-Konsumenten von Schmerzlinderung berichten, ist Yazdi zufolge
«ziemlich sicher mit dem Placebo-Effekt» zu erklären. «Die Menschen

sehnen sich eben nach einem Wundermittel, das keine Nebenwirkungen
hat.»

Der Arzneimittelexperte Gerd Glaeske von der Uni Bremen meint, Käufer
CBD-haltiger Mittel wüssten oft nicht, dass hauptsächlich die
rezeptpflichtigen Cannabisformen einen medizinischen Nutzen böten. Er
sieht das CBD-Angebot als «ein Geschäft mit der Psyche und der
Hoffnung von Menschen».

Tatsächlich als Arznei zugelassen ist CBD für die Therapie von zwei
schweren und seltenen Epilepsie-Formen bei Kindern. Es gelte manchen
Eltern irrtümlicherweise als «sanftes Naturprodukt», teilte die
Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle
Bildgebung kürzlich mit. In Studien hätten «etliche Kinder»
Nebenwirkungen wie starke Müdigkeit, Fieber, Appetitlosigkeit und
Durchfall gehabt.