Klagewelle um Klinikrechnungen belastet weiter Sozialgerichte

Vor einem Jahr gingen lawinenartig Klagen um Klinikrechnungen bei den
Sozialgerichten ein. Grund war eine Verkürzung der Verjährungsfrist.
Trotz Beteuerungen, die Streitfälle aus dem Weg zu räumen, türmen
sich weiterhin unerledigte Akten. Erhalten die Gericht mehr Personal?

Celle (dpa/lni) - Auch ein Jahr nach einer Klagewelle von
Krankenkassen gegen Kliniken wegen strittiger Abrechnungen belasten
die Verfahren weiter die Sozialgerichte in Niedersachsen. Von den im
November vergangenen Jahres eingegangenen 3150 Klagen zu rund 15 000
Abrechnungsfällen seien mehr als 900 Klagen mit knapp 8000 Fällen bis
zur Jahresmitte erledigt gewesen, sagte der Sprecher des
Landessozialgerichts, Carsten Kreschel, der Deutschen Presse-Agentur.
Über mindestens 5000 Abrechnungsfälle werden die Gerichte aber noch
zu urteilen haben, nachdem sie zuvor medizinische Gutachten eingeholt
hatten. Unabhängig davon gehen weitere aktuelle Streitigkeiten
zwischen Kliniken und Kassen bei den Sozialgerichten ein.

Auslöser der Klagewelle, die Sozialgerichte auch bundesweit belastet,
war eine Verkürzung der Verjährungsfrist durch den Bundestag von vier
auf zwei Jahre. In dem Streit geht es um möglicherweise falsch
berechnete Behandlungskosten, die Kassen nach der Fristverkürzung
vorsorglich per Klage zurückforderten. Eine auf Bundesebene erreichte
Verständigung zeigte in der Praxis keine Wirkung.

Auch in Niedersachsen kündigten Kassen zwar eine Rücknahme der
meisten Einwände an. «Es kommt zu Rücknahmen leider sehr, sehr zäh

und nicht in dem Umfang, der in Aussicht gestellt wurde», sagte
Kreschel. Parallel gebe es den Versuch der gütlichen Klärung, wofür
Verfahren gebündelt werden. Aber auch dies bereite Arbeit.

Unabhängig von der Klagewelle hat sich die Zahl der Streitigkeiten um
Krankenhausabrechnungen an den Sozialgerichten in den vergangenen
Jahren fast verdoppelt. In den Jahren bis 2015 belief sich die Zahl
eingehender Klagen auf etwa 4000 bis 4500 jährlich. 2016 und 2017
stieg die Zahl auf durchschnittlich 6400 Klagen, 2018 waren es ohne
die Klagewelle etwa 8000 Fälle. Für 2019 zeichnet sich ein ähnlicher

Trend wie im Vorjahr ab.

Eine größere Personalaufstockung bei den Sozialgerichten hatte es
trotz der zugenommenen Arbeit bislang nicht gegeben. Im Haushalt für
2020 wollen die Regierungsfraktionen aber noch Geld für drei
zusätzliche Richterstellen an den Sozialgerichten reservieren.

Die Sozialgerichte urteilen in Fragen der Kranken- und
Rentenversicherung, der Arbeitslosen- und Unfallversicherung sowie
bei der Entschädigung von Kriegs- und Gewaltopfern. Außerdem geht es
um die Versorgung von Behinderten und Asylbewerbern. Standorte der
Sozialgerichte sind Aurich, Braunschweig, Hannover, Hildesheim,
Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück, Stade und Bremen. Im Falle einer
Revision entscheidet das Landessozialgericht mit Sitz in Celle.
Letzte Instanz ist das Bundessozialgericht im hessischen Kassel.