Spahn: Ständige Personaldebatten nerven CDU-Mitglieder und Bürger

Vor einem Jahr war Friedrich Merz beim Kampf um den CDU-Vorsitz knapp
Annegret Kramp-Karrenbauer unterlegen. Kommt es auf dem Parteitag in
Leipzig zum Rückspiel? Der Gesundheitsminister setzt eigene Akzente.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seine
Partei davor gewarnt, ständig Personaldebatten zu führen, anstatt die
Probleme der Bürger zu lösen. «Dass wir zuerst Diskussionen über
Befindlichkeiten und Personen führen, anstatt zuerst unsere Aufgabe
zu erfüllen, nervt unsere Mitglieder, die Delegierten und die
Bürgerinnen und Bürger», sagte das CDU-Präsidiumsmitglied eine Woch
e
vor dem Bundesparteitag in Leipzig der Deutschen Presse-Agentur in
Berlin. «Was wir tun müssen ist: Gut regieren, Entscheidungen treffen
und unser Land in die 20er Jahre führen.»

Spahn geht nicht davon aus, dass es auf dem Parteitag am Freitag und
Samstag kommender Woche zu einer Revolution gegen die auch intern
umstrittene Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer kommt. Fakt sei
aber: «Wir haben viel Vertrauen verloren. Das sehen wir in den
Umfragen, das sehen wir in den Wahlergebnissen wie zuletzt in
Thüringen. Wir gewinnen kein Vertrauen mit ständiger Nabelschau
zurück.» Dafür brauche es in Leipzig zuerst gute Debatten, gerne auch

kontrovers. «Die Leute wollen nicht ständig hören, wer gegen wen ist,

welche Befindlichkeiten wer hat, ständige Personal- und
Verfahrensdebatten. Sondern sie wollen, dass wir Probleme lösen.»

Mit Blick auf die Regierungsjahre der Kanzlerin sprach sich Spahn für
einen Ablösungsprozess von der Ära Merkel aus. «Es ist zu wenig,
lediglich zu sagen: Wir haben jetzt 14 Jahre gut regiert. Jetzt heißt
es, nach vorne schauen, nicht zurück.» Es gebe eine Ambivalenz in der
CDU, aber auch bei vielen Bürgern - einerseits große Dankbarkeit und
Anerkennung für das, was Merkel als Kanzlerin geleistet habe.
Gleichzeitig wisse die CDU aber, dass es jetzt in eine neue Zeit
gehe. «Und dass es für diese Zeit ein neues Team braucht - eines, das
mutig und zuversichtlich eigene Wege geht. Und dessen Bezugspunkt
eben nicht mehr Angela Merkel sein kann.»

Es sei die Verantwortung der nächsten Generation nach Merkel und mit
der Jungen Union auch der übernächsten Generation, stärker in die
Führung des Landes zu gehen, betonte Spahn, der Kramp-Karrenbauer im
vergangenen Dezember im Kampf um die Parteispitze unterlegen war. In
vielen Bereichen entscheide sich heute, «wie es uns in Deutschland
2030 und 2040 geht».

Die Bürger hätten «das mulmige Gefühl», dass Deutschland seinen
Wohlstand nicht weiter halten könne, sagte Spahn. «Wenn man vor 20
Jahren im Urlaub war, hat man gedacht: eigentlich sind wir da in
Deutschland schon ein Stück weiter, etwa bei der Infrastruktur. Heute
hat man im Urlaub mobiles Internet am Strand, aber bei uns auf dem
Dorfplatz nicht. So entsteht der Eindruck, andere sind weiter als
wir. Deshalb ist das Bedürfnis nach Führung und einer Idee, wo dieses
Land in zehn Jahren stehen soll, sehr groß.»

Als drängende Probleme nannte Spahn unter anderem die innere
Sicherheit oder den Ausbau des Breitband-Internets. «Es ist ja keine
unlösbare Aufgabe, in diesem Land eine flächendeckende Netzverbindung
zu schaffen, oder Wlan in den Zügen.» Er ergänzte: «Wir brauchen da
s
Signal, dass wir eine Idee für die 20er Jahre haben. Dass wir einen
Weg weisen, auch über die große Koalition hinaus.»

Auf die Frage, ob ein verbaler Zweikampf zwischen Kramp-Karrenbauer
und dem ihr beim Kampf um die Parteispitze ebenfalls unterlegenen
Friedrich Merz verhindert werden könne, nachdem der Ex-Fraktionschef
eine große Rede für Leipzig angekündigt hatte, sagte Spahn: «Ich
wünsche mir viele große Reden von vielen Rednern auf dem Parteitag.»

Es gehe davon aus, dass sich alle programmatisch einbringen wollten.
«So eine inhaltliche Debatte tut uns doch nur gut.»

Dabei könne es um eine «Agenda für die Fleißigen» gehen, wie Merz
sie
angekündigt hatte, oder um die Frage, wie die CDU mit den hohen
Unternehmenssteuern umgehe oder mit der Abgabenlast für die Bürger.
Es müsse überlegt werden, «wie wir diejenigen, die morgens aufstehen

und den Laden am Laufen halten, nicht weiter be-, sondern entlasten»,
sagte Spahn. Er nannte auch die Europapolitik, bei der es gelte, mit
einer selbstbewussten Außen- und Europapolitik Impulse zu setzen für
Wachstum und Investitionen etwa im EU-Haushalt. Oder wie die EU einen
echten europäischen Grenzschutz organisieren könne.