Lebensgefährliche Stromschläge - Falscher Arzt vor Gericht Von Britta Schultejans, dpa

«Lebensgefährliche Bewerbung um einen Nebenjob» schrieb die Polizei
über den Fall: Ein Mann soll sich als Arzt ausgegeben und junge
Frauen dazu gebracht haben, sich selbst lebensbedrohliche
Stromschläge zuzufügen. Sein mutmaßliches Motiv ist verstörend.

München (dpa) - Ein Fremder gibt im Internet lebensgefährliche
Stromschläge in Auftrag, verspricht Geld - und die angeblichen
Probandinnen machen mit. Am Landgericht München II startet an diesem
Dienstag (9.30 Uhr) ein Aufsehen erregender Prozess: Ein 30 Jahre
alter Mann ist wegen versuchten Mordes an 88 Frauen und Mädchen
angeklagt. Er soll sie mittels des Kommunikationsprogramms Skype dazu
gebracht haben, sich selbst lebensgefährliche Stromschläge zuzufügen.


Die zuständige Staatsanwaltschaft München II spricht von einem
«ungewöhnlichen Fall». Ein Fetisch soll das mutmaßliche Motiv des
Angeklagten sein. Es soll ihn sexuell erregt haben, wenn eine Frau
durch einen Stromschlag Schmerzen erleidet.

Nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord hatte der heute 30
Jahre alte Mann aus dem Raum Würzburg von 2014 an über das Internet
Kontakt zu seinen meist sehr jungen Opfern aufgenommen. Er fand sie,
weil sie in Kleinanzeigen nach einem Nebenjob suchten. Und den bot er
ihnen an. Laut der zuständigen Ermittlungsgruppe «EG Strom» bei der
Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck gab der Mann sich als Mediziner
einer renommieren Universität aus. Er behauptete, Teilnehmerinnen für
eine wissenschaftliche Studie zu suchen und bot dafür Geld.
«Lebensgefährliche Bewerbung für einen Nebenjob», schrieb die
Polizei, als der Fall im vergangenen Jahr bekannt wurde.

Über Skype, so die Vorwürfe, wies er die Mädchen und jungen Frauen
an, Apparate zu bauen, um sich selbst lebensgefährliche
Elektroschocks zuzufügen. Diese Videochats zeichnete er auf - um sie
sich immer wieder ansehen zu können. Auf die Spur des IT-Fachmanns
aus dem Landkreis Würzburg kamen die Ermittler, nachdem ein 16 Jahre
altes Opfer des Mannes Anzeige erstattet hatte. Im Februar 2018 wurde
er festgenommen, seither sitzt er in Untersuchungshaft.

120 Opfer aus ganz Deutschland sollen laut Polizei auf ihn
hereingefallen sein. Dass nur 88 Fälle davon nun angeklagt sind,
liegt nach Angaben der Staatsanwaltschaft daran, dass «in den
weiteren untersuchten Fällen (...) eine Strafbarkeit nicht gegeben
oder nicht nachweisbar» sei.

Bei der Auswertung der sichergestellten Datenträger fanden sich nach
Polizeiangaben mehr als 200 Videoaufzeichnungen, die der
Festgenommene von seinen angeblichen Probanden angefertigt hatte.
Laut Polizei hatte der Mann bei den Verhören im vergangenen Jahr ein
«Teilgeständnis» abgelegt. Auch die Staatsanwaltschaft bestätigte,

dass er sich zu den Vorwürfen geäußert hat, ließ aber offen, wie.


Nun muss sich der 30-Jährige wegen versuchten Mordes, gefährlicher
Körperverletzung, Missbrauch von Berufsbezeichnungen und anderen
Delikten vor dem Landgericht München II verantworten. Für den Prozess
gegen den gebürtigen Würzburger sind zunächst 15 Verhandlungstage bis

zum Januar angesetzt.