Kann Laschet Kanzler? Halbzeit für Schwarz-Gelb in NRW Von Dorothea Hülsmeier und Jörg Blank, dpa

Zweieinhalb Jahre nach ihrem Antritt in Nordrhein-Westfalen ist die
CDU/FDP-Regierung dort nicht sonderlich beliebt. Für
Ministerpräsident Laschet gilt das Gegenteil. In Berlin wird er schon
als möglicher Nachfolger von Angela Merkel gehandelt.

Düsseldorf (dpa) - Nicht nur Staus und Lehrermangel plagen die
Menschen in Nordrhein-Westfalen, aber Ministerpräsident Armin Laschet
(CDU) wird bereits für höhere Weihen gehandelt. Zur Halbzeit
zweieinhalb Jahre nach der Landtagswahl 2017 und dem Aus für Rot-Grün
hat die Koalition aus CDU und FDP in NRW - auch dank sprudelnder
Steuereinnahmen - einige Wahlversprechen erfüllen können: von der
Abschaffung des achtjährigen «Turbo»-Abiturs über Millionenhilfe f
ür
die Kitas bis zur Stärkung der Polizei. Dass es im Land breite
Proteste etwa gegen die Straßenbaugebühren und die Wohnungsnot gibt,
ficht Laschet nicht an.

Während die Zufriedenheit mit der schwarz-gelben Landesregierung laut
jüngster WDR-Umfrage deutlich gesunken ist, genießt Laschet so viel
Rückhalt in der Bevölkerung wie noch nie: 54 Prozent der Befragten
sind mit seiner Arbeit zufrieden - immerhin 17 Prozentpunkte mehr als
im Februar. Und in Berlin wird er bereits als ein Kandidat für die
Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel gehandelt.

In der Bundes-CDU hat die Stimme des Parteivizes Gewicht - schon
deshalb, weil er den mitgliederstärksten Landesverband führt.
Strategen in CDU und CSU halten es für möglich, dass Laschet im
Wettlauf um die Kanzlerkandidatur der Union lachender Dritter sein
könnte, falls sich die SPD im Dezember entschließen sollte, doch
frühzeitig aus der Koalition auszusteigen. Jedenfalls wiederholt er
den machtpolitischen Kardinalfehler seiner SPD-Vorgängerin Hannelore
Kraft nicht, die den Gang nach Berlin immer ausgeschlossen hatte.

Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) fühlt sich in der
Kandidatenfrage zwar durch gute Umfragewerte ermutigt, wie er selbst
sagt. Hört man sich aber in den Spitzen von CDU und CSU um, ist dort
die Euphorie über eine mögliche Kanzlerkandidatur des Sauerländers
deutlich gebremst. Auch dass mit Laschet, Gesundheitsminister Jens
Spahn, Fraktionschef Ralph Brinkhaus und dem Chef der Mittelstands-
und Wirtschaftsunion, Carsten Linnemann, wesentliche Akteure in der
aktuellen Kandidatendebatte wie Merz aus NRW kommen, wird als nicht
gerade förderlich für dessen Ambitionen gewertet. Sie alle könnten
sich mit ihren jeweiligen Eigeninteressen gegenseitig blockieren.

Zudem ist der Machtwille von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer
nicht zu unterschätzen. Sie kämpft zwar seit langem gegen miese
Umfragewerte. Und in der CDU-Spitze gibt es einige, die nicht mehr
daran glauben, dass sie Kanzlerkandidatin werde, wenn man sich auf
eine vorgezogene Wahl im kommenden Frühjahr einstellen müsse. Ob es
allerdings in der Parteispitze tatsächlich eine Rebellion gegen AKK
geben würde ist offen.

Auch CSU-Chef Markus Söder wird ein gewichtiges Wort bei der
Entscheidung über die Kanzlerkandidatur mitzureden haben. Und was
passiert, wenn diese Frage wie eigentlich vorgesehen auf dem
Parteitag Ende 2020 geklärt wird, kann keiner sagen.

Registriert wird in Berlin allerdings auch, dass Laschet sich
gelegentlich distanziert zu Kramp-Karrenbauer äußert - wie neulich,
als er Kritik daran durchscheinen ließ, dass die
Verteidigungsministerin ihren Vorstoß für eine internationale
Sicherheitszone in Nordsyrien nicht mit dem Koalitionspartner SPD
abgestimmt hatte. Laschet kritisiert AKK dosiert.

«Man darf Herrn Laschet auf keinen Fall unterschätzen», sagt der
Düsseldorfer Politologe Thomas Poguntke. Er verhalte sich in der
Führungsdebatte der CDU klug. «Er hat sich erst mal zurückgehalten,
aber doch immer dafür gesorgt, dass er im Gespräch bleibt.» Auf jeden

Fall wird an Laschets Votum bei der Entscheidung über die nächste
Kanzlerkandidatur der Union kein Weg vorbei führen. Spahn
konzentriert sich öffentlich zwar auf seine Ministerarbeit - intern
heißt es aber, er habe Ambitionen auf das Kanzleramt keineswegs
zurückgestellt.

Laschet kann trotz seiner derzeitigen Popularität im Land nur bedingt
durchatmen. Zwar ist die CDU laut Umfrage in NRW mit 32 Prozent
weiter klar stärkste Kraft und damit auch ein Hoffnungslicht für die
von Wahlschlappen gebeutelte Bundes-CDU. Aber die FDP ist so schwach,
dass die Regierungskoalition derzeit keine Mehrheit mehr hätte.

Konflikte in NRW dringen bis zur Hauptstadt jedoch kaum durch.
«Unspektakulär, aber professionell» sei das Vorgehen der Regierung
aus FDP und CDU, sagt Poguntke. «Sie macht keine großen Fehler, hat
aber auch keine große Dynamik entwickelt.» In einem 43-seitigen
Arbeitsbericht stellt sich Schwarz-Gelb, wie nicht anders zu
erwarten, eine Erfolgsbilanz aus: Arbeitslosenquote gesunken, ein
zweites Kita-Jahr wird beitragsfrei, mehr als 50 000 neue Kita-Plätze
neu geschaffen. Der Haushalt kommt ohne neue Schulden aus -
allerdings will die Regierung auf die weitere Tilgung des
144-Milliarden-Schuldenbergs verzichten.

Im Land bringen sich derweil die wiedererstarkten Grünen in Stellung.
Sie haben die SPD bei der Europawahl von Platz zwei verdrängt und
sind in Umfragen so stark, dass sogar ein Einzug in die Staatskanzlei
kein abwegiger Gedanke mehr wäre. Laschet werde ja gern ein
«schwarz-grünes Mäntelchen» umgehängt, aber das sei durch seine
Politik nicht gedeckt, sagte Grünen-Fraktionschefin Monika Düker
kürzlich. Als sogenannter Brückenbauer habe Laschet auch im Konflikt
um den Hambacher Forst versagt. Sie möge zwar sein Talent für
«empathische Reden», sagt Düker. «Was aber beim Präsidieren unter
die
Räder kommt, sind wichtige Entscheidungen.»

In der Union im Bund gilt Laschet als einer der möglichen
Kanzlerkandidaten, der mit den Grünen am ehesten könnte. Aber ob der
Realitätscheck im Bund funktioniert?