Branchen-Zusagen für weniger Zucker und Salz in Fertigprodukten Von Sascha Meyer, dpa

Weniger Zucker im Kinder-Müsli, nicht mehr so viel Salz in der
Tiefkühlpizza: Im Kampf gegen «Dickmacher» will die Regierung auch
Hersteller für freiwillige Umstellungen gewinnen. Wie geht das voran?

Berlin (dpa) - Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) setzt auf
Zusagen weiterer Lebensmittelbranchen, um zu weniger Zucker, Fett und
Salz in Fertigprodukten zu kommen. Fast ein Jahr nach dem Beschluss
einer «Reduktionsstrategie» im Bundeskabinett liegen acht freiwillige
Vereinbarungen mit Verbänden vor. Weitere würden angestrebt und seien
derzeit in Arbeit, teilte das Ministerium auf Anfrage der Deutschen
Presse-Agentur mit. Damit verpflichten sich Hersteller dazu, bis
2025 schrittweise Rezepturen zu verändern. Die Grünen dringen darauf,

mögliche Gesundheitsfolgen bei Zucker-Ersatzstoffen zu erforschen.

Meist geht es in den bisherigen Vereinbarungen um weniger Zucker. So
soll in Frühstückscerealien für Kinder eine Reduzierung um mindestens

20 Prozent erreicht werden, in gesüßten Milchprodukten für Kinder u
m
15 Prozent. Ein Zucker-Minus von 15 Prozent sagten auch zwei Verbände
für Erfrischungsgetränke wie Limonaden oder Cola zu, ebenso die
Fruchtsaft-Industrie für fruchthaltige Getränke mit Zuckerzusatz. Die
Prozentangaben beziehen sich laut Ministerium jeweils auf den
Durchschnitt des Sortiments.

Bei Tiefkühlpizzen geht es um weniger Salz. Angestrebt wird, den
durchschnittlichen Gehalt über das gesamte Pizza-Sortiment bis Ende
2025 auf 1,25 Gramm pro 100 Gramm zu senken, wie die Vereinbarung des
Branchenverbands festhält. Dabei schwankt der Salzanteil je nach
Sorte und Belag: Bei einer Salami-Pizza können es derzeit zum
Beispiel 1,5 Gramm Salz sein, bei einer Thunfisch-Pizza 1,2 Gramm.

Die Bundesregierung hatte die von Klöckner vorgelegte «Nationale
Reduktions- und Innovationsstrategie» im Dezember 2018 beschlossen.
Die Umsetzung startete mit Beginn dieses Jahres. Ziel ist, zu einer
gesünderen Ernährung beizutragen. In Deutschland gelten laut
Ministerium 47 Prozent der Frauen, 62 Prozent der Männer und 15
Prozent der Kinder als übergewichtig. Zu viel Zucker, Fett und Salz
erhöhen auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

Zwei weitere Vereinbarungen sagen Reduzierungen zu, aber ohne
bezifferte Ziele. So will das Bäckerhandwerk mit Aufklärung für einen

«sinn- und maßvollen Umgang mit Salz als Zutat» werben. Das zielt vor

allem auf «Salzspitzen», also Brote mit besonders hohem Salzgehalt.
Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels formuliert das
Ziel, den Gehalt von Zucker, Salz und/oder Fett bei Eigenmarken der
Handelsketten zu senken. «Konkrete Zielwerte» zum Nährstoffgehalt
sowie etwa zum Produktsortiment und zum Zeithorizont sollen die
beteiligten Unternehmen eigenständig festlegen. Der Verband verweist
auch auf schon laufende Reduzierungen bei großen Supermarktketten.

Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker,
betonte, es liege zunächst einmal «bei jedem Verbraucher selbst,
Ernährungsgewohnheiten zu hinterfragen». Es sei jedoch gut, wenn die
Lebensmittelbranche die Initiative ergreife und Lösungen suche,
teilte Hocker am Sonntag in Berlin mit.

Von Verbraucherschützern und Medizinern kommt jedoch Kritik an «zu
laschen» Zielen und der Vorgehensweise der Ministerin auf
freiwilliger Basis. Sie fordern seit langem ein stärkeres
Gegensteuern auch mit Werbebeschränkungen oder Extra-Steuern.
Klöckner will dagegen bewusst auf Selbstverpflichtungen setzen und
nicht auf starre gesetzliche Maßnahmen und «Einheitsrezepte». Für d
ie
Zielvereinbarungen mit den beteiligten Branchen gelte: «Jeder muss
liefern, und jeder wird auch liefern», hatte sie nach dem
Kabinettsbeschluss gesagt.

Die Rezepturen sollen nach und nach umgestellt werden, damit es beim
gewohnten Geschmack für die Verbraucher keine zu abrupten Änderungen
gibt. Fortschritte bei den Reduzierungen bis 2025 sollen regelmäßig
beobachtet werden. Eine erste Bilanz soll im März 2020 vorliegen, wie
das Ministerium auf eine Kleine Anfrage der Grünen antwortete. Dafür
erhebt das bundeseigene Max-Rubner-Institut (MRI) gerade Daten, was
noch bis Dezember dauern soll. Ausgangsbasis sind Daten mit Stand
2016. Das MRI hat eine Datenbank zum Energie- und Nährstoffgehalt von
12 500 oft gekauften und vorgefertigten Produkten. Zudem wurde
2018 der Zuckergehalt von 1750 Erfrischungsgetränken registriert.

Die Grünen im Bundestag mahnen weitere wissenschaftliche Klärungen
an. «Beim Thema Unbedenklichkeit von Zuckerersatzstoffen gibt es
erheblichen Nachholbedarf bei der Forschung in Deutschland», sagte
Ernährungsexpertin Renate Künast der dpa. «Das muss sich ändern, un
d
zwar schnell.» Solange müsse es bei Umstellungen von Rezepturen das
oberste Ziel sein, Zucker nicht durch womöglich bedenkliche Stoffe zu
ersetzen. Künast verwies darauf, dass Studien in anderen Ländern zum
Ergebnis kämen, dass etwa der Stoff Isoglukose im Verdacht stehe,
Krankheiten wie Diabetes zu begünstigen.