Mordversuch mit Gift - Polizistinnen vor Gericht Von Kathrin Löffler, dpa

Recht und Ordnung zu wahren, gehört zu ihrem Berufsethos -
eigentlich. Jetzt sollen zwei Polizistinnen einen Giftmord versucht
haben. In Tübingen stehen sie vor Gericht.

Tübingen (dpa) - Unter strengen Auflagen hat der Prozess gegen zwei
Polizistinnen wegen versuchten Mordes vor dem Tübinger Landgericht
begonnen. Die 40-jährige Mutter zweier Kinder gestand zum Auftakt am
Freitag, ihrem Ehemann in der gemeinsamen Reutlinger Wohnung Insulin
gespritzt zu haben, um ihn zu töten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr
und einer 42 Jahre alten Kollegin versuchten Mord vor. Im Februar
hätten sie den Mann, ebenfalls ein Polizeibeamter, vergiften wollen.
(Aktenzeichen: 5 Ks 21 Js 4897/19)

Laut Anklage soll die diabeteskranke 42-Jährige ihrer Kollegin und
Vertrauten vorgeschlagen haben, dem 52-Jährigen eine Überdosis
Insulin zu verabreichen. Das blutdrucksenkende Medikament kann dem
Arzt und Gerichtsgutachter Peter Winckler zufolge in hoher Dosierung
für jeden Menschen lebensbedrohlich wirken.

Die 40-Jährige nannte Eheprobleme als Motiv. Mit klarer Stimme
erzählte sie, dass ihr Mann mit Trennung gedroht habe, sie aus der
Wohnung werfen und ihr die Kinder entziehen wollte. Seine
Beschimpfungen, Beleidigungen und Erniedrigungen habe sie nicht mehr
ausgehalten. Zudem fühlte sich die in Teilzeit Tätige überfordert,
weil sie sich allein um Haushalt, Auto, Kinder und Schule habe
kümmern müssen. «Das ist mir zu viel geworden», sagte sie. Der

Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski entgegnete: «Ihnen ist schon
klar, dass die Situation in Hunderttausenden deutschen Haushalten
auch so ist?»

Der Anklage zufolge injizierte die Ehefrau dem Opfer drei Milligramm
Insulin und gab es als heilungsfördernde Vitaminspritze aus. Zuvor
habe sie ihm mit medizinischen Präparaten versetzten Orangensaft
verabreicht, um bei ihrem Mann Übelkeit auszulösen.

Das Insulin soll ihre Kollegin per Dienstpost bei der Polizei
Esslingen verschickt haben. Die mutmaßliche Komplizin wollte sich
zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern. Mit Schal und Akten hielt
sie
ihr Gesicht beim Betreten des Saals verdeckt, unter Tränen verfolgte
sie die Verhandlung.

Selbst unkenntlich gemachte Aufnahmen der beiden Angeklagten waren
den anwesenden Kamerateams zu Prozessbeginn nicht erlaubt. Begründet
wurden die Auflagen mit dem Beruf der Frauen: Inzwischen sitzen die
Polizistinnen in Untersuchungshaft. Die Kammer hält ihre Sicherheit
dort für gefährdet, sollte sich ihre Identität unter den
Mitinsassinnen herumsprechen. «Polizisten haben im Gefängnis kein
gutes Leben», sagte der Vorsitzende Richter.

Der Ehemann hatte der Staatsanwaltschaft zufolge überlebt, weil die
gemeinsamen Kinder des Paares den schlechten Gesundheitszustand des
Vaters bemerkten. Auf Drängen ihres Sohnes im Teenageralter
verständigte die Frau demnach den Notdienst, so dass Rettungskräfte
mit Sofortmaßnahmen den Tod des Mannes verhindern konnten.

Das Polizisten-Ehepaar hatte sich während eines Praktikums
kennengelernt und 2003 geheiratet. In den Folgejahren war die
40-Jährige mehrfach wegen psychischer Probleme und Alkoholsucht in
Behandlung. Hoffnung, dass ihr Vergiftungsplan aufgehen könnte, zog
die Polizeibeamtin offenbar auch aus einer Fernsehsendung, die sie im
Vorfeld gesehen hatte. Darin sei es um ungeklärte Todesfälle
gegangen, und sie habe sich über die unglaublich hohe Zahl gewundert,
sagte sie.